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Exekution für Jugendstraftat angedroht

Von WZ-Korrespondent Andreas Hackl

Politik

Radikalislamische Hamas will in Gaza ihr Gewaltmonopol demonstrieren.


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Jerusalem/Gaza. Im Schatten des Bürgerkrieges in Syrien und der zugespitzten Lage in Ägypten arbeitet die radikalislamische Hamas im Gazastreifen immer stärker an der Umsetzung ihres Gesellschaftsbildes. Nun plant die Organisation - eine Schwester der ägyptischen Muslimbruderschaft - die Exekution des 28-jährigen Palästinensers Hani Abu Aliyan. Er soll zum Zeitpunkt seiner Straftat erst 14 Jahre alt gewesen sein. Menschenrechtsorganisationen laufen gegen die geplante Hinrichtung Sturm.

"Hani war jetzt vier Jahre im Gefängnis, nun soll er hingerichtet werden", sagt sein Vater, Mohamed Abu Aliyan, gegenüber der "Wiener Zeitung". Der Anklage nach habe sein Sohn schon im Kindesalter einen Jungen totgeschlagen und sich 2009 dann nochmals der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht. Vor drei Jahren wurde er zu mehrfach-lebenslanger Haft verurteilt.

Nun kündigte der Generalanwalt im Gazastreifen, Ismail Jaber, die bevorstehende Hinrichtung von Abu Aliyan an. Obwohl er von dem Beamten nicht namentlich genannt wurde, ist sich die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) sicher, dass es sich um Abu Aliyan handelt. "Dieser Fall ist besonders, weil die Hamas bisher noch niemanden für ein Vergehen im Kindesalter zum Tode verurteilte", sagt Bill Van Esveld, der das Büro von HRW in Israel-Palästina leitet. Die Hamas würde sich durch diese Hinrichtung neben Saudi-Arabien, Jemen, Sudan, und dem Iran zu jener Ländergruppe gesellen, die in den vergangenen fünf Jahren Menschen wegen Jugendstraftaten hinrichten ließen. "Aber nach palästinensischem Recht ist es illegal, Personen für Jugendstraftaten hinzurichten."

Hinrichtung als "Abschreckungsmaßnahme"

Der Generalanwalt begründete die angekündigte Hinrichtung auch mit "Abschreckungswirkung". Als Beispiel sprach er von einem Raubüberfall auf eine Fabrik im Gazastreifen mit tödlichem Ausgang. Hinrichtungen als Abschreckung sollen somit auch das Monopol der Hamas auf Gewaltausübung unterstreichen.

Die Todesstrafe ist im Gazastreifen keine Seltenheit. Seit 2010 wurden 16 Männer hingerichtet. Einigen mehr könnte es noch bevorstehen: Zwischen Februar 2010 und Juni 2013 wurden im Gazastreifen insgesamt 36 Menschen zum Tode verurteilt. Dabei werden die Geständnisse oft unter Folter erzwungen. Auch der Körper von Hani Abu Aliyan habe nach Angaben seines Anwalts klare Spuren von Folter getragen. Mutmaßliche Kollaborateure hat die Hamas in den letzten Jahren gefoltert, um Geständnisse über ihre Zusammenarbeit mit Israel zu erzwingen. In den meisten Fällen folgte darauf eine Hinrichtung, entweder durch ein Erschießungskommando oder durch Erhängen.

Als sich die Hamas 2007 gegen die Sicherheitskräfte der rivalisierenden Fatah die Kontrolle über den Gazastreifen erkämpfte, wollte sie auch das Rechtssystem reformieren und entwarf neue Gesetze in Absprache mit islamischen Rechtsgelehrten, auch für das Strafgesetzbuch, wie etwa den Grundsatz "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Doch letztlich setzte sich das nicht-islamische Rechtssystem der Palästinensischen Autonomiebehörde durch. Dennoch versuchen Hardliner der Hamas, ein noch radikaleres Strafrecht durchzusetzen. Ein Gesetzesentwurf vom Mai 2013 sah etwa das Amputieren von Händen und Auspeitschen als Strafmaßnahmen vor. Doch auch dieser Entwurf wurde vom Legislativrat abgelehnt. Abseits der Gerichte urteilt jedoch in vielen Fällen das Traditionsrecht, wie in der Auszahlung von Blutgeld bei Morden zwischen Familien. Im Fall Abu Aliyan lehnten die Betroffenen diesen Weg jedoch ab.