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Exklusiv: ÖGB-Steuerpapier mit Überraschungen

Von Clemens Neuhold

Politik

ÖGB will Entlastung von sechs Milliarden Euro.


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Wien. "Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm das will." Die berühmte Passage aus einem Arbeiterkampflied muss ab sofort abgewandelt werden. "Alle Räder sollen sich drehen, die Gewerkschaft die will Taten sehen."

Heute, Dienstag, präsentiert der Österreichische Gewerkschaftsbund ÖGB sein lang erwartetes Konzept zur steuerlichen Entlastung der Arbeitnehmer. Und mit aktuell 570.000 Unterschriften aus der Kampagne "Lohnsteuer runter!" im Rücken, wird es sich die Regierung nicht leisten können, das Papier zu ignorieren. Die "Wiener Zeitung" hat aus Sozialpartnerkreisen vorab Details aus dem Papier erfahren. Anmerkung: Die Arbeiterkammer verwies Montag Abend darauf, dass es sich nicht um die Letztversion handle. Zu den Details gab es aber keine Stellungnahme (nachträglicher Eintrag, 18 Uhr). Die Stoßrichtung der Vorschläge birgt jedenfalls einige Überraschungen:

Auch obere Einkommen profitieren deutlich
So soll der oberste Steuertarif von 50 Prozent künftig nicht mehr ab einem Einkommen von 60.000, sondern erst ab 80.000 Euro greifen. Das würde auch höhere Einkommen klar entlasten.

Das ist als Zugeständnis der roten Gewerkschafter FSG an die schwarzen Gewerkschafter FCG zu werten. Oberstes Ziel ist nämlich ein gemeinsamer Beschluss im ÖGB-Vorstand am Dienstag. Alles andere würde die Schlagkraft der überparteilichen ÖGB-Kampagne entscheidend schwächen.

Dafür schwarzes Ja zu Vermögenssteuer
Der FCG soll als Gegenleistung die umstrittenen Vermögenssteuern inklusive Erbschaftssteuer mittragen. Diese Vermögenssteuern sind der größte Zankapfel zwischen SPÖ und ÖVP. Die Schwarzen weigern sich beharrlich, sie mitzutragen. Sagt die schwarze Gewerkschaft gemeinsam mit der roten Ja dazu –  mit bald 600.000 Unterschriften im Rücken – bleibt das sicher nicht ohne Auswirkung auf die ÖVP.

Allerdings schießt sich der ÖGB absichtlich nicht auf die klassische Vermögenssteuer auf Immobilien, Barvermögen, Bilder etc. ein. Unter Vermögenssteuern fallen für die Gewerkschaft auch andere "vermögensbezogene" Steuern wie die Grundsteuer, die Reiche stärker treffen. Die Lohnsteuersenkung steht im Zentrum, die Finanzierungsquelle sei zweitrangig, ist zu hören. Hauptsache, die Arbeitnehmer zahlen sich die Entlastung nicht durch die Hintertüre selbst.

Zwei Milliarden Euro durch Vermögensteuern
Diese Vermögenssteuern sollen, so will es das Steuerkonzept, die Lohnsteuersenkung zu einem Drittel finanzieren und zwei Milliarden Euro einspielen. Eine weitere Milliarde Euro soll aus dem Kampf gegen Steuerbetrug kommen, zwei Milliarden aus dem Abbau von steuerlichen Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Ländern sowie aus der Streichung von steuerlichen Begünstigungen für Betriebe (nicht näher spezifiziert). Die auf sechs Milliarden Euro noch fehlende Milliarde soll sich quasi selbst finanzieren, durch steigende Steuereinnahmen, sobald die Menschen mehr im Börsel haben und dadurch mehr konsumieren.

Steuergutschrift, damit Entlastung unten ankommt
Auf dem unteren Ende der Steuerskala soll der Eingangssteuersatz wenig überraschend von 36,5 auf 25 % sinken. Ab 20.000 Euro soll er 32 %, ab 30.000 dann 36 %, ab 45.000 47 % und ab 80.000 eben 50 % betragen.

Zweite Überraschung neben der neuen Obergrenze von 80.000 Euro ist die Negativsteuer. Die soll auf 450 Euro steigen, nach bisher höchstens 110 Euro. Negativsteuer ist eine Steuergutschrift für Personen, die unter 11.000 Euro im Jahr verdienen und deswegen nicht steuerpflichtig sind. Sozialversicherungsbeiträge fallen aber trotzdem an. Durch die Negativsteuer von 450 Euro (höchstens aber zehn Prozent von den SV-Beiträgen) kann auch diese Gruppe der Niedrigverdiener – immerhin mehr als zwei Millionen Arbeitnehmer – in den Genuss einer Steuer- und Abgabensenkung kommen.

Die Steuerentlastung soll so schnell als möglich kommen, der ÖGB, heißt es aus Sozialpartnerkreisen, verschließt sich aber auch einer etappenweise Einführung nicht.

Das Konzept wird am Dienstag vom ÖGB-Vorstand beschlossen und am Donnerstag in einer großen Betriebsrätekonferenz in Wien Belegschaftsvertretern präsentiert. Dann ist die Politik am Zug, die Vorschläge aufzunehmen - oder unter Protest des starken Armes zu ignorieren.

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