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Pul-e-Sharki - Sie hatten ihre Heimat verlassen, weil sie den Krieg, die Armut, die Unterdrückung nicht mehr aushielten. Nun, ein Jahr nach Beginn des Krieges gegen das Taliban-Regime in Afghanistan, kehren sie heim. Millionen von Afghanen haben sich in ihre zerstörte Heimat aufgemacht, mit großen Hoffnungen und wenig Geld.
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Die Vereinten Nationen sprechen vom größten Rückkehrprogramm ihrer Geschichte. Im laufenden Jahr rechnet das Flüchtlingskommissariat mit zwei Millionen Heimkehrern, im kommenden Jahr sollen es noch einmal so viele sein. Doch die Rückkehrer stehen vor einer entbehrungsreichen Zukunft. Der Krieg ist vorerst beendet. Für eine menschenwürdige Zukunft werden die Menschen aber noch lange hart kämpfen müssen.
Vor zwei Monaten kam Zafar Shan mit seiner Familie in sein afghanisches Heimatdorf Karabach nahe Kabul zurück. "Die Taliban haben mein Haus zerstört. Sie haben die Fenster und Türen eingetreten und das Gebälk in Brand gesteckt", klagt Shan. Das Flüchtlingslager in Pakistan hat die Familie hinter sich gelassen, nun lebt sie in einem Zelt. Sie habe sich auf den Weg nach Hause gemacht, weil es hieß, dort gebe es nun Sicherheit. Doch Shans Lebensgrundlage, eine Pflanzung von Traubenstöcken, ist zerstört. "Wir haben hier nicht genug Wasser und können uns kein Holz kaufen, um unser Haus wieder aufzubauen." Er hat Angst vor dem Winter.
Seit die Amerikaner den Anti-Terror-Krieg gegen Afghanistan begannen und fünf Wochen später die Taliban von der Macht vertrieben haben, herrscht Frieden in Afghanistan. Doch es ist ein Frieden auf niedrigem Niveau, da macht sich Mohammad Asim keine Illusionen. Neun Jahre hatte sich der 33-Jährige in der pakistanischen Metropole Karachi als Fleischer verdingt. Er weiß, dass sich seine vierköpfige Familie nun in der Heimat, im kriegszerstörten Kabul, an einen ungleich bescheideneren Lebensstandard wird gewöhnen müssen. Mit einer Handvoll Habseligkeiten rückte Asims Familie im Haus der Schwester an. "Ich weiß noch nicht, wie ich meine Familie über die Runden bringen soll. Aber ich habe so lange von diesem Augenblick geträumt", erzählt Asim.
Den fünffachen Vater Haji Sattar trieben hingegen wirtschaftliche Zwänge zurück in sein Heimatland. Er unterhielt ein Lebensmittelgeschäft für die afghanische Flüchtlingsgemeinde in Karachi. "Das Geschäft lief nicht mehr, weil alle meine Kunden nach Afghanistan zurückgekehrt sind." Deswegen hat er sich auf den 1500 Kilometer langen Weg in seine Heimatstadt Mazar-i-Sharif begeben. Was aus ihm dort werden soll, weiß auch er nicht. Sein Haus ist inzwischen einer anderen Familie zur Heimat geworden, und der Schuhladen seines Vaters ist schon lange verrammelt. Sattar bemüht sich um Zuversicht: "Ich weiß, dass es schwierig wird, Arbeit zu finden. Aber ich bin bereit, alles zu tun, was nötig ist."