Zum Hauptinhalt springen

Exotische Blüten im Wahlkampf

Von Annabel Wahba

Politik

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 25 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Tel Aviv · Pnina Rosenblum, Israels vermutlich bekannteste Geschäftsfrau, residiert in einem rosafarbenen Backsteinbau. Schon bald, hofft die ehemalige Schönheitskönigin, wird sie jedoch ein

Büro in der Knesset in Jerusalem beziehen. Denn die Frau mit dem wasserstoffblonden Pagenkopf leitet nicht nur ihre große Kosmetikfirma, sie gründete auch vor einigen Monaten ihre eigene Partei und

kandidiert bei den Wahlen am 17. Mai für einen Sitz im Parlament. "Ich komme aus armen Verhältnissen", sagt Rosenblum. "Es war immer mein Traum, für diese Leute die Gesetze zu verändern." Drei Sitze

könnte ihre Partei gewinnen, sagen Umfragen, denn die Chefin ist als "Selfmade-Frau" populär.

In Israel glauben plötzlich Menschen ohne jegliche politische Erfahrung, sie müßten Abgeordnete werden. Für die Wahl sind 33 Parteilisten registriert, 21 davon neugegründete Parteien. Der Einzug ins

Parlament wird vielen der kleinen Parteien nicht schwer fallen. Denn die Sperrklausel liegt mit 1,5 Prozent sehr niedrig.

Außerdem gibt es seit 1996 ein neues Wahlsystem: Der Wähler hat zwei Stimmen. Mit der einen wählt er direkt den Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten, die andere gibt er der Partei, durch

die er seine persönlichen Interessen am besten vertreten sieht. Nach Schätzungen werden etwa 20 Parteien in die nächste Knesset einziehen. Dem künftigen Regierungschef wird das Regieren in einem

derart fragmentierten Parlament nicht gerade leicht fallen. Unter den neugegründeten Parteien ist die Zentrumspartei die mit der vermutlich größten Anhängerschaft. Ihr Spitzenkandidat ist der

ehemalige Verteidigungsminister Yitzhak Mordechai. Die Partei gilt als Sammelbecken für viele, die zwar rechts von der oppositionellen Arbeitspartei stehen, aber doch ein Ende der rechtsgerichteten

Regierung Netanyahu wollen. Anders als die Zentrumspartei vertreten die kleinen neugegründeten Parteien meist nur Spezialinteressen · oft die privaten der Gründer.

Ezra Tisona etwa, Vorsitzender der Casino-Partei, ist selbst ein leidenschaftlicher Spieler. "Wenn man in den strukturschwachen Gebieten Casinos baut, schafft man neue Arbeitsplätze", sagt Tisona.

Das einzige Problem dabei: In Israel sind Casinos verboten. Tisona sagt, er wolle nur deshalb in die Knesset einziehen, um dieses Verbot aufzuheben.

Zumindest ein bißchen politische Erfahrung bringt der Spitzenkandidat der "Grünes Blatt"-Partei zur Legalisierung von Cannabis, Boas Wachtel, mit. Er arbeitete bis vor einigen Jahren in der

israelischen Botschaft in Washington. Seine Partei will sich für einen Kurswechsel in der Drogenpolitik einsetzen.

Neben zahlreichen Parteigründungen durch Politik-Einsteiger erlebte die Knesset in den letzten Wochen auch viele Parteiaustritte und Neugründungen durch Mandatsträger. Von 120 Abgeordneten haben

bereits mehr als 20 ihre Fraktion verlassen und sind auf der Suche nach einer neuen politischen Heimat.