Zum Hauptinhalt springen

Expedition ins Ungewisse

Von Walter Hämmerle

Politik

Die ÖVP hat Sebastian Kurz begeistert auf ihren Schild gehoben. Er steht damit über ihr, aber runter kann er auch nicht mehr.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das Drehbuch hält. Am Sonntagabend wurde Sebastian Kurz einstimmig zum geschäftsführenden Obmann der ÖVP gewählt. Der Parteivorstand hatte ihm zuvor bereits den Roten Teppich ausgerollt. Zu den Neuwahlen im Herbst wird die Volkspartei als "Liste Sebastian Kurz – die neue ÖVP" antreten.

Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich so aus, als hätte der Jungstar der Innenpolitik die ergraute Partei im Sturm erobert. Wortwörtlich sogar. Kurz lässt sich statutarisch verbriefen, wovon ein Julius Raab, ein Josef Klaus, ein Wolfgang Schüssel (um nur seine machtbewusstesten Vorgänger zu nennen) nur träumen konnten: Den Generalsekretär konnte sich ja noch jeder Obmann selbst aussuchen; die Minister durfte schon Michael Spindelegger allein bestimmen; und Schüssel musste kämpfen, um sich die Mandatare auf der Bundesliste selbst aussuchen zu können.

Kurz wird all das können und darüber hinaus noch ein Vetorecht bei den neun Landeslisten für die Nationalratswahl haben. Da versteht es sich fast von selbst, dass er auch inhaltliche Weichenstellungen nach Gutdünken mit sich selbst ausmachen darf. Die Partei ist in diesen Tagen wahrlich in Geberlaune. Das Reißverschlusssystem bei der Listenerstellung, nach dem auf jeden Mann zwingend eine Frau folgen muss, und die Berücksichtigung der Anzahl der Vorzugsstimmen bei der Mandatsvergabe waren da nur Draufgabe. Was geschieht, wenn lauter Männer Vorzugsstimmenkaiser werden sollten, wird man aber erst noch sehen.

Kurz hat erreicht, dass die Partei verstanden hat, dass es so, wie es bisher war, tatsächlich nicht mehr weiter gehen konnte. Das ist, für sich genommen, keine schlechte Erkenntnis und schon gar keine geringe Leistung. Er war schließlich nicht der erste, der es versucht hat.

Aber die neue Beziehung zwischen der ÖVP und Kurz ist vielschichtiger als es heute noch den Anschein hat. Wer hier wen erobert hat, lässt sich heute noch nicht endgültig feststellen. Schließlich hat sich die bei 20 Prozent grundelnde ÖVP das heißeste innenpolitische Eisen gesichert. Mit ihm darf sie in den nächsten Monaten zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder vom Kanzleramt träumen.

Sollte Kurz jedoch am Wahlabend nicht liefern können, dann wird seine momentane Allmacht schnell wieder Geschichte sein. Das wissen aber ohnehin alle Beteiligten.

Die nächsten Tage und Wochen werden zudem Einblick darüber geben, wie viel politisches Talent tatsächlich in Kurz steckt. Die SPÖ und Kanzler Kern werden ihm kaum den Gefallen tun, die Statistenrolle, die ihnen das schwarzen Drehbuch auf den Leib schneidert, bis zum Wahltag einzunehmen. Der strahlende Ritter rettet nur in billigen B-Movies in blitzblanker Rüstung das Land samt Jungfrau. Im wirklichen Leben schafft man oft nur das halbe Ziel, und das nicht, ohne sich die Hände schmutzig zu machten.
Kurz und seine ÖVP haben sich gerade erst auf den Marsch gemacht durch die Wüste Gobi, den einst Ex-Klubobmann Andreas Khol zu schwarz-blauen Zeiten als Sinnbild für einen schweren Gang seiner Partei wählte. Wo die Reise hinführt, wird sich im Herbst zeigen.