Germanist Krumm kritisiert Sanktionen und Angebote: Es fehlen bedarfsorientierte Kurse und Angstfreiheit beim Lernen. | Bislang keine Evaluierung bestehender Programme.
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Wien. Integration durch Sprache, lautet ein Leitsatz der österreichischen Integrationspolitik. Damit MigrantInnen die Sprache erlernen können, dafür braucht es maßgeschneiderte Kurse. Doch je nach Lebenssituation und Bildungshintergrund bräuchten die Migranten dazu auch unterschiedliche Angebote, betonte der Germanist Hans-Jürgen Krumm vergangene Woche in Wien bei einem Pressegespräch. Und um einen Lernerfolg zu erzielen, sei es aber wichtig, die Kurse bedarfsorientiert anzubieten, sagte er. Die Kosten berufsbezogener Kurse könnten zudem zum Teil die Arbeitgeber tragen.
Krumm forderte auch, zeitliche und finanzielle Hürden zu reduzieren. Zum einen funktioniere Spracherwerb nämlich nur dann, wenn man keine Angst davor habe, Fehler zu machen, zum anderen verpflichte die Europäische Sozialcharta dazu, den Erwerb der Sprache "nach Möglichkeit kostenlos" zu halten. Außerdem solle in diesen Kursen auch die Gelegenheit bestehen, mit Österreichern in Kontakt zu treten.
"Migrantensegregierungssysteme"
Nach den Kosten seiner Vorschläge gefragt, meinte Krumm: Wenn man bestehende Einrichtungen nutzen und das Geld nicht in eigene "Migrantensegregierungssysteme" stecken würde, wäre das System billiger als da heutige. Vorbildlich auf europäischer Ebene sei Schweden. Dort hole man die Arbeitgeber mit ins Boot und biete eine starke Integrationsbegleitung.
Wie erfolgreich die Kurse in Österreich derzeit sind, könnte man dagegen nicht sagen, kritisierte ferner die Grüne Integrationssprecherin Alev Korun. Um das zu bewerten, wäre eine externe Evaluierung wichtig. Das Innenministerium erhebe aber nicht einmal, wie viele Menschen die Kurse besuchen, dann aber an der Prüfung scheitern. Unter den Migranten herrsche mittlerweile ein großes Bewusstsein darüber, dass die Sprache wichtig ist, um weiterzukommen, so Korun weiter. Außerdem forderte sie, die Migrantenvereine in die Planung einzubeziehen. Den Wegfall der Deutschkurspflicht für türkische Staatsangehörige sieht sie als "Chance, endlich etwas Sinnvolles aufzubauen". Staatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) aber stelle sich tot, kritisierte sie.
Integrationsvereinbarung
AusländerInnen müssen in Österreich Deutschkenntnisse erwerben, um sich im Alltag verständigen zu können. Verlangt wird das Deutsch-Niveau A2 laut <span dir="auto">Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (man muss kurze, einfache persönliche Briefe und klare und einfache Durchsagen verstehen) - und das neuerdings schon nach zwei Jahren. Bisher waren fünf Jahre Zeit. Schafft der Zuwanderer/die Zuwanderin das nicht, drohen Sanktionen bis hin zur Ausweisung. Allerdings gibt es die Möglichkeit, unter Berücksichtigung persönlicher Umstände die Fristen zu verlängern. Die Kurskosten werden bis zu 50 Prozent bezuschusst, wenn sie im vorgegebenen zeitlichen Rahmen angegangen werden.
Will jemand dauerhaften Aufenthalt in Österreich oder die Staatsbürgerschaft, muss er das Sprachniveau B1 erreichen, das heißt, sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern können.
Die Integrationsvereinbarung geht auf eine Initiative des damaligen FPÖ-Klubobmanns Peter Westenthaler (BZÖ) aus dem Jahr 2001 zurück. Später nahm Koalitionspartner ÖVP die Idee auf, die Vereinbarung wurde 2002 vom Nationalrat beschlossen.