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Ökonom Schneider fordert in erster Linie ausgabenseitige Einsparungen.
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"Wiener Zeitung":Die Regierung will bis Februar ein zehn Milliarden Euro schweres Sparpaket schnüren, was die Phantasie aller Beobachter anregt. Wo liegen aus Ihrer Sicht die höchsten Einsparpotenziale?Friedrich Schneider: Es muss zuerst ausgabenseitig eingespart werden. Wenn es nach einem Jahr noch nicht reicht, kann man alles, was ausgabenseitig eingespart wurde, einnahmenseitig verdoppeln. Wenn man also vier Milliarden Euro ausgabenseitig eingespart hat, dann wäre auch ein Steuerpotenzial von vier Milliarden Euro gegeben - vorausgesetzt, das ist wirklich notwendig. Was die einzelnen Posten betrifft, würde ich zuerst das Frühpensionsalter sukzessive um ein Jahr anheben - das brächte ungefähr 800 Millionen bis eine Milliarde Euro pro Jahr ein. Ersteres dann, wenn ein Anreiz in Form eines bescheidenen Bonus für Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschaffen würde, sodass auch die Arbeitsplätze für die Älteren erhalten bleiben. Die zweite Maßnahme wäre eine generelle Zielvorgabe für jedes Ministerium, drei Prozent einzusparen. Das kann jedes Ministerium machen.
Wie soll das funktionieren?
Indem man die Menschen in den Amtsstuben nachdenken lässt: Wenn man sinnvoll sparen kann und das mit einer minimalen oder mit gar keiner Leistungseinschränkung verbunden ist, dürfen zehn Prozent vom Gesparten behalten werden. Das würde sich richtig lohnen. Drittens kann man von den 17 Milliarden Euro an Subventionen eine Milliarde einsparen. Das wären pro Subvention 6 Prozent weniger, das klappt in den allermeisten Bereichen.
Beim Mehrwertsteuerbetrug könnte man eine Milliarde einsparen. Dazu kommt, dass die Telekom und die ÖBB hunderte oder tausende Mitarbeiter fürs Nichtstun bezahlen oder sie mit einem goldenen Handschlag verabschieden: Ich würde diese Beamten umschulen und in die Steuerfahndung stecken. Damit könnte man - ganz vorsichtig gerechnet - 300 bis 400 Millionen Euro reinholen und hätte zusätzlich die Menschen sinnvoll beschäftigt.
Die fünfte Lösung wäre eine radikale Vereinfachung des Finanzausgleichs - die kann man auf einen Bierdeckel schreiben: Der Bund bekommt alle indirekten Steuern, die Länder und Kommunen bekommen alle direkten Steuereinnahmen. Dadurch hätten die Länder auch eine Finanzverantwortung. Das Land, das ein höheres Wirtschaftswachstum hat, hätte mehr Steuereinnahmen und könnte damit auch zusätzliche Ausgaben finanzieren. Dazu bräuchte es eine Aufgabenreform, die man bei der Bildung beginnen sollte: Bis auf eine Rahmengesetzgebung würde ich die Bildungskompetenz auf die Länder übertragen, was wiederum eine Milliarde Euro einsparen würde. Im öffentlichen Dienst müsste die Rotation zwischen den Ministerien einfacher sein und eventuell den Gebietsschutz für Beamte aufheben, da könnte man enorm viel Geld einsparen. Sie sehen also: Wenn man wollte, könnte man schon. Da verstehe ich Vorschläge wie einen Einstellungsstopp für alle gar nicht - das wäre zum Beispiel für die Uni eine Katastrophe.
Welche einnahmenseitigen Einsparungen - zum Beispiel den Wegfall der steuerlichen Begünstigung des 13. und 14. Monatsgehalts für Spitzenverdiener oder die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer - halten Sie für sinnvoll?
Natürlich könnte man auch Veräußerungsgewinne höher besteuern oder Erbvermögen ab einer gewissen Grenze wieder höher besteuern. Aber das alles würde ich erst im zweiten Jahr machen, wenn die Regierung auf der anderen Seite die Latte hochgelegt hat. Einnahmenseitig würde ich lediglich die unsinnige Begünstigung des 13. und 14. Monatsgehalts abschaffen, das bevorzugt ja nur die Gutverdienenden. Das brächte ungefähr 5 bis 6 Milliarden Euro. Davon bleibt höchstens eine Milliarde für den Staat, den Rest würde ich zur Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen verwenden.
Unsere Regierung könnte ja auch auf EU-Ebene aktiver werden und sich für eine Finanztransaktionssteuer einsetzen. Auch kann man sicherlich über eine - auf eine Legislaturperiode befristete - Solidarabgabe für Menschen, die mehr als 150.000 Euro verdienen, reden. Das bringt allerdings nicht viel: Wenn man da 500 bis 600 Millionen Euro hineinbekommt, dann muss man froh sein. Alle einnahmenseitigen Maßnahmen wären bei mir jedenfalls auf nur eine Legislaturperiode befristet.
Aber sind Vermögenssteuern administrierbar?
Das ist schwer zu sagen. Eine Anhebung der Einheitswerte in Richtung der Marktpreise wäre zum Beispiel machbar.
Gibt es Bereiche, die aus Ihrer Sicht auf keinen Fall von den Einsparungen betroffen werden dürfen?
Der Bildungsbereich sowie Forschung und Entwicklung, denn davon leben wir. Hier würde ich keinesfalls sparen, weil Bildung für unsere Zukunft ganz entscheidend ist, denn im Prinzip leben wir nur vom Hirnschmalz. Aber ich würde nicht einfach das Geld ausschütten, sondern wettbewerbsmäßig ausschreiben und an die Besten vergeben.
Wird es Einsparungen im Bereich des Sozialstaats geben müssen?
Hier wären Modellversuche notwendig, und man müsste schauen, wie das andere Länder machen: Wie kann ich in gewisse Bereiche - zum Beispiel in die Kinderbetreuung - mehr Eigenverantwortung hineinbekommen und die rein staatlichen Institutionen entlasten? Ein anderes großes Einsparungspotenzial gibt es bei der Frühpension: Wenn es schon so viele Frühpensionisten gibt, von denen viele ganz gesund sind, könnten die ja für die Gemeinschaft etwas tun. Wer vor dem normalen Rentenantrittsalter in Pension geht, von dem kann man vielleicht mit bescheidenen Anreizen noch etwas für die Gemeinschaft verlangen. Das müsste man sich rechtlich anschauen. Der dritte Bereich wäre die Öffnung des Pflegebereichs: Die tschechische Krankenschwester kostet ein Drittel weniger als die österreichische: Wenn sie legal bei uns arbeiten dürfte, wäre das eine große Entlastung. Für diese Maßnahmen braucht es Zeit und einen gesellschaftlichen Konsens. Allerdings brennt letzt der Hut.
Was passiert, wenn sich die Opposition weiter querstellt und es nicht gelingt, die Schuldenbremse in den Verfassungsrang zu heben?
Dann nehmen uns die Ratingagenturen unter Beschuss, wenn es dumm hergeht - die Chance liegt bei mindestens 40 bis 50 Prozent - dann können wir das Triple-A verlieren und haben einen doppelten Schaden. Wir müssen mehr Zinsen zahlen und noch mehr sparen. Insofern hoffe ich, dass die Opposition dem jetzt zustimmt. Allerdings kann man die Regierung hier nicht aus der Pflicht lassen: Würde sie jetzt einmal ein Sparkonzept vorlegen, wo jeder sieht, dass es ihr mit dem Sparen ernst ist, dann kann ich mir vorstellen, dass die ein oder andere Oppositionspartei mitmacht. Die Regierung muss aber intelligentere Dinge vorschlagen als einen Einstellungsstopp.
Zur Person
Friedrich Schneider
Geboren 1949 in Konstanz (Deutschland), studierte Schneider Volkswirtschaftslehre. Es folgten Forschungsaufenthalte in Yale und Princeton. Heute lehrt er an der Kepler Uni Linz, deren Vizerektor er war.
"Einnahmenseitige Maßnahmen müssen auf nur eine
Legislaturperiode
befristet sein."
"Die Regierung muss intelligentere Dinge vorschlagen als einen Einstellungsstopp."