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Veranlagungsstrategie von ArtIn Finance endete mit Millionenverlusten.
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Linz/Wien. In der brisanten Anlageaffäre ArtIn Finance (AIF) Vermögensverwaltung um den Linzer Finanzmathematikprofessor Gerhard Larcher liegt ein spannendes Gerichtsgutachten vor.
Der Wiener Universitätsprofessor Markus Fulmek wurde vom Handelsgericht Wien im Zivilprozess mit der Aktenzahl 56 Cg 129/12 beauftragt, die Veranlagungsstrategie des Linzer Kollegen zu durchleuchten. Anwalt Michael Brand hat den Prozess für einen Anleger ins Rollen gebracht. Und Anwalt Lukas Aigner von der Kanzlei Kraft & Winternitz, der rund 60 AIF-Geschädigte vertritt, hat diese 54 Seiten starke Expertise am 14. Juni 2012 in einem weiteren Schadenersatzverfahren vorgelegt. Im Mittelpunkt steht ein Schaden von 153.000 Euro im Zusammenhang mit dem Fonds AIF Option+. Die Veranlagung fuhr rund 85 Prozent Verlust ein. Es geht um 51,3 Millionen Euro Aufwands- und Verlustabdeckung.
Laut Gutachter bestand die Anlagestrategie ("Volatility Trading") darin, Optionskaufverträge auf den Aktienindex S&P 500 zu schreiben, die dem Käufer der Option an einem bestimmten Verfallstag einen Betrag zusichert, wenn ein bestimmter Differenzfaktor größer als null ist. Ist die Differenz aber kleiner als null, verfällt die Option als wertlos. Zugleich bietet der Verkäufer dem Käufer eine Kompensationszahlung für die Übernahme dieses "nicht unerheblichen Risikos" in Form einer Optionsprämie. AIF wird dabei vorgeworfen, selbst nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers (15. September 2008) von ihrer hochriskanten Strategie nicht abgewichen zu sein.
"Professionelle Marktteilnehmer hätten unmittelbar nach dem Lehman-Zusammenbruch nicht aus freien Stücken Put-Optionen geschrieben", heißt es im Gutachten. Denn Profis "erkannten im Lehman-Crash ein unerwartetes, einschneidendes Ereignis, das zu enormen Irritationen an den Finanzmärkten und erhöhtem Risiko führen würde". Dass der Zusammenbruch von Lehman nicht vorhersehbar war, ist klar.
Profis hätten anders agiert
"Falsch ist die Behauptung, dass niemand die tatsächlich eingetretenen Auswirkungen erwartet hätte", kontert Fulmek der entsprechenden AIF-Argumentation. "Falsch ist auch die Behauptung, dass AIF die Verluste nicht vermeiden konnte. Ein simples Aussetzen des Handels in dieser kritischen Phase war jedenfalls eine Möglichkeit, die mit keinerlei Kosten verbunden war." Mehr noch. Laut Gutachter war "die Finanzkrise auch schon vor dem Leh-man-Desaster für wirtschaftlich interessierte Personen nicht zu verkennen", etwa aufgrund der Probleme auf dem US-Immobilienmarkt 2007. Und Finanzmathematikprofessor Fulmek geht generell mit dem AIF-Modell hart ins Gericht: "Grundsätzlich ist eine sorgfältige Vermögensverwaltung vorstellbar, die sich ausschließlich mathematischer Modelle bedient. Mir ist aber kein Modell bekannt, das Markterfahrung ersetzen oder irrationales Verhalten adäquat abbilden kann."
Am 18. September 2012 wird das Fulmek-Gutachten am Handelsgericht Wien zum ersten Mal erörtert werden.
Vorwürfe bestritten
Aus der Sicht von ArtIn Finance war alles ganz anders. Die Vorwürfe werden bestritten. "Tatsächlich sind die Ergebnisse des Gutachtens längst überholt und durch drei gerichtlich beeidete Sachverständige in anderen Gerichtsverfahren widerlegt", behauptet AIF-Anwalt Philipp Strasser von der Kanzlei Herbst Kinsky. "Das Gutachten hat daher auch generell keinerlei Relevanz für die anhängigen Anlegerprozesse, wie auch das jüngste Urteil des Handelsgericht Wien zur Aktenzahl 40 Cg 78/10m zeigt." Nachsatz: "Bis heute hat das Handelsgericht alle Klagen von Anlegern gegen ArtIn Finance abgewiesen."