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Die ÖBB-Reform wird seit gestern im Parlament diskutiert. Der Verkehrsunterausschuss wird sich in der kommenden Woche zweimal dem Thema widmen. Zu Beginn gab es jedenfalls einen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition. Die SPÖ forderte die komplette Streichung des Dienstrechts aus dem Reformgesetz. Doch die Koalition lehnte dies ab. Die Regierung hat sich auf ihre Experten festgelegt, die Forderung der SPÖ, auch noch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl zu befragen, wurde abgelehnt.
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Leitl sei ein anerkannter Fachmann in der Volkspartei, wer die Wirtschaft im Ausschuss vertrete, sei mit ihm akkordiert, begründete die ÖVP ihren Beschluss, Leitl nicht in den Ausschuss zu nehmen.
Dass es zu Änderungen der Vorlage kommen wird, schloss ÖVP-Verkehrssprecher Werner Miedl "eher" aus. Der Leiter des Ausschusses, SP-Verkehrssprecher Kurt Eder, hat nur einen Funken Hoffnung, dass noch mancher Punkt im ÖBB-Gesetz geändert werden könnte. Die Grüne Eva Lichtenberger ist weniger zuversichtlich, dass die Regierungsparteien einlenken und spricht von Gesprächsverweigerung.
Als Bahnexperten im Ausschuss sind der ÖBB-Reform-Kritiker Rechnungshofpräsident Franz Fiedler und Schienen-Regulator Gerhard Fuhrmann geladen. Weiters werden Vertreter der Wirtschaftskammer, die Industriellenvereinigung, der VCÖ und der Verein Fahrgast angehört. Kritische Stimmen aus den Bundesländern wie der Kärtner Landeshauptmann Jörg Haider und der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, die die SPÖ einforderte, sind nicht gefragt. Auch AK-Präsident Herbert Tumpel ist unerwünscht.
Mit dem Fahrplan nach wie vor unzufrieden ist Eisenbahner-Gewerkschafter Wilhelm Haberzettl. Bei der Tagung des Verbandes der Öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft hat er nochmals die Gründe für die Reformablehnung dargelegt: Den ÖBB drohen massive Verluste. Haberzettl rechnet vor, dass im Jahr 2007 der Bahnbetrieb mit einem Verlust von 52 Mill. Euro rechnen müsse. Heuer wird noch ein Plus von 27 Mill. Euro eingefahren werden können. "Sowohl der Personen- als auch der Güterverkehr müssen die Preise erhöhen oder Leistungen zurücknehmen, denn die Zuschüsse des Bundes bleiben gleich, aber die Infrastrukturbenützung wird teurer." Der Grund: Die Regierung werde die Schienenmaut innerhalb der nächsten sieben Jahre um 80 Prozent anheben. Dies treffe aber nicht nur die ÖBB, sondern auch die Privatbahnen. "Damit hat sich das Problem der Schienenliberaliserung von selbst gelöst", ätzt Haberzettl. Obendrein drohe den ÖBB ein weiterer Kahlschlag, da die gewinnbringenden Immobilien und Kraftwerke in der neuen Infrastrukturbau AG geparkt würden. "Dadurch gehen 80 Mill. Euro pro Jahr verloren." Das Zukunftsszenario, das der Gewerkschafter für das Unternehmen entwickelt, ist düster, da nur diese Bau AG über sämtliche Finanzen des neuen Konstrukts - vier AGs unter einer Holding - verfügt: "Das ist der Weg ins Verderben, am Ende bleibt uns ein riesiger Baukonzern mit einer Eisenbahngesellschaft über."
Doch Haberzettl ist mit seinen Bedenken nicht allein. Namhafte Experten halten den eingeschlagenen Reformweg für wenig sinnvoll. Eine wichtige Stimme ist der Generaldirektor der Investkredit und Regierungsberater Wilfried Stadler. Er hält die ÖBB-Struktur für "einen Fehler". Denn die Aktiengesellschaften böten keinerlei Durchgriffsmöglichkeiten. "Durch diese Aufsplitterung besteht die Zerschlagungsgefahr." Für völlig problematisch hält Stadler gar die Trennung der Infrastruktur in Bau und Betrieb: "Den Sinn kann ich nicht erkennen." Ebenfalls verunsichert zeigt sich Lorenz Fritz, Generalsekretär der Industriellenvereinigung. Wem die Reform nütze, sei unklar. Jedenfalls müsste darauf geachtet werden, dass nicht wie nach der Strommarktliberaliserung die Preise massiv steigen. "Ob es das Gelbe vom Ei ist, weiß ich nicht." Jedenfalls gibt er zu, dass es Absicht der Regierung sei, die Gewerkschaft mit dem Vorhaben zu treffen.
Scharf ins Gericht mit der ÖBB-Reform geht der ehemalige Direktor der Europäischen Investitionsbank und Vizerektor der WU-Wien Ewald Nowotny. "Die Politik macht mit der Zerstörung der Strukturen nun Fehler, die anderswo schon geschehen sind." Es gebe genügend abschreckende Beispiele. Für die Bahnkunden werde es sicher zu Verschlechterungen und Preiserhöhungen kommen. "Ein so eng verzahntes System wie die Bahn kann getrennt nicht optimal genutzt werden." Was mit den ÖBB passiere, sei "existenzgefährdend", warnt Schienen-Regulator Fuhrmann. Österreich laufe Gefahr, dass dadurch der Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagert wird.
Infrastrukturminister Hubert Gorbach hat die Wünsche des ÖBB-Vorstandes nach einer Preiserhöhung ab Anfang 2004 zurückgewiesen. "Wir müssen nach dem Streik alles tun, um Kunden für die Bahn zurückzugewinnen." Obwohl notwendig, würden höhere Tarife die Kunden derzeit nur verärgern. Den Vorwurf der "Gesprächsverweigerung" wies er empört zurück.