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Experten: Kosovo de facto bereits geteilt

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Politik

Schwieriges Treffen zwischen Belgrad und Pristina. | Außenminister von EU und Westbalkan an einem Tisch. | Brdo/Ljubljana. Es war keine einfache Aufgabe für das Gastgeberland Slowenien: Erstmals sollten am Samstag beim Treffen der EU-Außenminister mit den Kollegen vom Westbalkan auch die Vertreter Serbiens und Kosovos nach dessen Unabhängigkeitserklärung an einem Tisch sitzen. Um das zustande zu bringen, griffen die Diplomaten des EU-Vorsitzlandes tief in die Trickkiste: Kosovo tritt als Unmik/Kosovo auf. Der serbische Außenminister Vuk Jeremic frühstückt zwar mit den EU-Kollegen, schickt aber einen Stellvertreter zur Arbeitssitzung in Anwesenheit des kosovarischen Premiers Hashim Thaci. Sollte der das Wort ergreifen wollen, verlässt der Serbe den Raum. Das sei aber nicht vorgesehen, beschwichtigen Diplomaten.


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Diese mühsamen Winkelzüge zum Auftakt des am Freitag begonnenen Treffens illustrieren die verfahrene Lage zwischen Serbien und dem neuen Land südlich davon. Belgrad arbeitet mit der Unterstützung Russlands an der Teilung des Kosovo; die EU und die USA wollen das verhindern.

So dürfen die Kosovo-Serben an der serbischen Parlamentswahl am 11. Mai teilnehmen. Erweiterungskommissar Olli Rehn quittierte das mit dem befremdlichen Vergleich, dass ja auch "Finnen in Schweden" ihre Stimme für Wahlen zum finnischen Parlament abgeben dürfen. Die EU werde nicht gegen den Belgrader Schachzug vorgehen, weil den Serben im Kosovo doch "privilegierte Beziehungen" zu Serbien zugesagt worden waren.

Die Abspaltung des mehrheitlich serbisch bewohnten Nordens existiere eben de facto bereits, gab der kosovarische Publizist Veton Surroi bei einer Veranstaltung des slowenischen Friedensinstituts zu bedenken: Die Realität sei ein unabhängiger, geteilter Kosovo mit serbischen Parallelinstitutionen im Norden. Allein 83 Polizeistationen auf dem Territorium des Kosovo würde Serbien betreiben. Das sei auch ein Problem der Kfor, die wie die Unmik-Polizisten im Nordkosovo ins serbische Kreuzfeuer geraten war.

Kosovo sei zwar faktisch von Serbien unabhängig, konterte der Politologe Jovo Bakic von der Universität Belgrad, dafür aber in tiefer Abhängigkeit zur Nato. Ambivalent sei zudem die völkerrechtliche Unabhängigkeit: Nur etwas mehr als 30 Staaten der Welt haben sie bisher anerkannt.

Gleichzeitig kritisierte Bakic die Rolle Russlands in der Kosovo-Politik. Moskau sei ein "extrem gefährlicher Verbündeter, der am Balkan ein Spiel mit Serbien treibt". Dabei mache der historische Mythos des Kosovo als Wiege der serbischen Nation es einfach, im Land "das Feuer des Nationalismus zu entfachen". Russland benutze Serbien, um der EU und den USA am Balkan entgegenzutreten, meinten Experten weiter. Dahinter stecke vor allem das zentrale Interesse Moskaus, die Nato-Erweiterung einzudämmen.

Debatte am Nato-Gipfel

Einen Vorgeschmack auf die Auseinandersetzungen darüber am Nato-Gipfel in Bukarest nächste Woche dürfte bereits die Reise von US-Präsident George W. Bush durch Osteuropa dieses Wochenende geben. Washington setzt sich massiv für die Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die Nato ein, was der kommende russische Präsident Dimitrij Medwedew bereits scharf kritisiert hat.