Seit Freitag können Unternehmen Umsatzersatz für November beantragen. Experten halten dies für problematisch: Manche Betriebe könnten überkompensiert werden.
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Österreich ist dicht. Zum zweiten Mal nach dem Frühjahr verhängt die Regierung über einen großen Teil der Wirtschaft einen Lockdown. Restaurants, Gaststätten und Hotels haben geschlossen, lediglich Lieferservice und Take-away ist möglich. Ebenso mussten Fitnesscenter, Seilbahnen, Kinos und Schwimmbäder zusperren. Sämtliche Veranstaltungen im November wurden abgesagt. Dabei haben sich viele der betroffenen Betriebe kaum vom ersten Lockdown und den Folgen der Corona-Pandemie erholt. Nun fallen ihnen aufgrund der staatlich verordneten Schließung die Umsätze für einen ganzen Monat erneut weg. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hat den betroffenen Unternehmen eine Kompensation zugesagt - die "Wiener Zeitung" berichtete.
Am Freitag wurden auf einer Pressekonferenz weitere Details dazu bekannt. Im Zeitraum der Schließung, also vorerst bis Ende November, sollen Betriebe bis zu 80 Prozent ihres Umsatzes des Vorjahresnovembers ersetzt bekommen. Nach oben hin ist die Hilfe pro Unternehmen auf maximal 800.000 Euro gedeckelt - gemäß den EU-Regeln, wie Blümel unterstreicht. Von dieser Hilfe abgezogen werden nur Garantien von 100 Prozent und Covid-19-Förderungen der Länder. Kurzarbeit und der Fixkostenzuschuss werden nicht gegengerechnet.
Da nicht nur die Betriebe in den oben genannten Branchen betroffen sind, sondern auch deren Lieferanten - vom Bäcker bis zum Winzer - arbeitet das Finanzministerium an einer Möglichkeit, den "Vorlieferanten" auch zu helfen. Diese Hilfe werde laut Blümel in den nächsten Wochen ausgearbeitet. Die Kosten für den Umsatzersatz im November "werden sich zwischen eineinhalb und zwei Milliarden Euro abspielen", schätzt der Finanzminister. Vor wenigen Tagen war noch von Kosten von einer Milliarde Euro die Rede.
Die Entschädigung wird über die Finanzämter bzw. über FinanzOnline abgewickelt. Dort können betroffene Unternehmen seit Freitag, 14 Uhr, einen Antrag auf diese Hilfe stellen, sagte Blümel. Gleich zu Beginn gab es einen Ansturm auf die Website: In der ersten Stunden wurden bereits 1.200 Anträge gestellt. Erste Gelder sollen innerhalb von 14 Tagen fließen, hieß es.
Zweifel wegen Überkompensation
Doch Experten äußern Zweifel, ob diese Hilfen mit dem EU-Beihilfenrecht konform sind. "Eine pauschale Orientierung am Umsatz, zumal auf einem Niveau von 80 Prozent, hat durchaus Relevanz für die Binnenmarktverträglichkeit der Beihilfen", sagt Christoph Krönke, Professor für Öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Grundsätzlich sieht die EU-Kommission vor, dass Staaten Unternehmen Liquiditätshilfen geben können, auch ein Umsatzersatz wäre im Beihilferahmen vorstellbar. Die Kommission muss diese Hilfen erst absegnen, da sie grundsätzlich als Verstoß gegen die Binnenmarktregeln gelten. Die Vorschriften wurden aber im Zuge der Pandemie temporär gelockert. Diese Lockerung, der "befristete Rahmen", gilt vorläufig bis Ende Juni 2021.
Krönke hat Zweifel, ob die pauschale Umsatzerstattung von der ursprünglichen Entscheidung der EU-Kommission über die Genehmigung der österreichischen Corona-Beihilfen noch gedeckt ist. "Ziel der Beihilfen ist es, die Unternehmen aus dem Schlimmsten herauszubringen", sagt Krönke. Eine Überkompensation könnte aber über das Ziel hinausschießen. "Eine Überkompensation könnte die Binnenmarktverträglichkeit in Gefahr stellen", sagt Krönke. Die genehmigten Beihilfen seien nicht dafür gedacht, dass bestimmte Unternehmen "an der Krise verdienen".
Finanzminister Blümel hingegen glaubt nicht, dass es zu Überförderungen kommen könnte. Er könne sich nicht vorstellen, dass für irgendein Unternehmen, das jetzt Hilfen beantrage, "das Jahr 2020 noch ein Geschäft werden wird".
Theoretisch möglich wäre es. Ein Hotel etwa, das im November Gelder für Kurzarbeit bekommt, spart sich die Personalkosten. Diese liegen laut im Beherbergungs- und Gastrobereich bei rund 30 Prozent. Für den Wareneinsatz braucht das Hotel auch weniger bis kaum Geld, da es geschlossen ist. Ersetzt der Staat also 80 Prozent vom Umsatz, subventioniert er damit womöglich den Gewinn beim Unternehmen.
Oliver Picek, Chefökonom beim sozialliberalen Momentum Institut, ortet eine Doppelförderung. Durch das neue Kurzarbeitsmodell für den November haben Betriebe die Möglichkeit, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter auf bis zu 0 Prozent zu reduzieren. Die Betriebe haben de facto keine Personalkosten. "Werden zusätzlich noch 80 Prozent des Vorjahresumsatzes in diesem Monat ersetzt, bekommen die Unternehmen ihre Personalkosten doppelt ersetzt", sagt Picek. Er fordert daher, dass die Kurzarbeit vom Umsatzersatz abgezogen wird.
Warten auf Fixkostenzuschuss Phase 2
Er weist außerdem daraufhin, dass man den Personalstand der Unternehmen vom November 2020 mit dem November des Vorjahres vergleichen muss. "Wenn Betriebe Personal abgebaut haben, bekommen sie Kosten für Personal ersetzt, das bereits gekündigt wurde", sagt Picek.
Ob die Hilfen durch den Umsatzersatz so schnell bei den Betrieben ankommen wie versprochen, bleibt abzuwarten. Neben dem Umsatzersatz hat Blümel auch angekündigt, dass der Fixkostenzuschuss II noch im November beantragt werden kann. Die erste Phase ist Mitte September ausgelaufen. Die EU-Kommission hat bisher eine Verlängerung von Phase 2 zurückgewiesen. Die Gespräche zwischen Brüssel und Wien laufen derzeit noch, heißt es von einer Sprecherin der EU-Kommission.