)
US-Insolvenzrecht wäre ein mögliches Vorbild für Europa. | "Man muss das Rad nicht neu erfinden." | Wien. "Es sind seit Jahrhunderten Länder, auch in Europa, zahlungsunfähig geworden", erinnert Georg Kodek, Professor für Unternehmensrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). "Doch was es bisher noch nicht gegeben hat, ist ein geordneter Konkurs - die Staaten waren in Europa immer darauf angewiesen, dass ihnen die Schulden nachgelassen worden sind."
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Kodek diskutierte diese Woche bei der Tagung Staateninsolvenz an der WU mit Experten über den Pleitefall Griechenland. Was den Vortragenden gemein war: Sie alle sehen die zugesagten Kredite für Griechenland in äußerst kritischem Licht und stellen sowohl die Sinnhaftigkeit als auch die Legalität derselben in Frage.
Am schärfsten spricht sich Kunibert Raffer, Professor für Volkswirtschaft der Universität Wien, gegen die Hilfen aus: "Schon Adam Smith, der Vater der Nationalökonomie, hat gesagt, wenn ein Land bankrott ist, ist es am besten, es tritt in ein offenes und transparentes Insolvenzverfahren." Es sei völlig sinnlos, strukturelle Schulden mit neuen Krediten zu prolongieren. Das Land häufe nur noch mehr Schulden an, mit neuen Zinsen, die es wiederum nicht zurückzahlen könne.
Raffer plädiert seit langem für ein Konkursverfahren für Länder, das sich an dem amerikanischen Chapter 9 im Bankruptcy Code anlehnt. Das Chapter 9 gewährt US-Gemeinden und -Städten bei Zahlungsunfähigkeit einen Zwangsausgleich. "Bei dem Konkursverfahren wird eine Quote für die Gläubiger eruiert. Im Normalfall werden diese nicht zu 100 Prozent bedient. Aber wenn man den Zahlungsplan einhält, wird der Rest der Schulden erlassen", betont Kodek. "Man muss das Rad nicht neu erfinden - für eine Länderinsolvenz."
Die wichtigsten Anregungen aus dem Chapter 9 seien einerseits, dass die Initiative zur Konkurseröffnung vom Schuldner ausgeht, wenn er merkt, dass er seine Schulden nicht mehr bedienen kann. Das beste Argument dafür: "Stellen Sie sich vor, Burkina Faso stellt einen Insolvenzantrag gegen die USA, die der größte Schuldner der Welt sind. Das würde niemand wollen."
Gemeinde-Konkurs in USA kein Einzelfall
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Chapter 9 sei, dass mit dem Zwangsausgleich keine Liquidation erfolge. "Es wird nicht das Rathaus oder die Infrastruktur versteigert. Zudem hat sich die Gemeinde einfach nur an den Zahlungsplan zu halten - es wird kein Masseverwalter eingesetzt, der dann das Land regiert. Besonders dieser Punkt ist verallgemeinerungsfähig", meint Kodek: "Mit der Insolvenz wird nicht in die Souveränität des Landes eingegriffen."
In den letzten 50 Jahren gab es in den USA an die 500 Fälle, bei denen Gebietskörperschaften in Konkurs gegangen sind. "Das Konkursverfahren hat den Vorteil, dass alle Gläubiger verhältnismäßig und in einem geordneten Verfahren befriedigt werden", sagt Kodek. Trotzdem, wenn Griechenland den Konkurs eröffnen müsste, wäre die Eurozone nicht in Gefahr? Anders als das einstige Pleiteland Argentinien kann man in Athen schließlich nicht einfach die Währung abwerten. "Das stimmt, dass die Griechen den Wechselkurs nicht bewegen können. Eine abgewertete Währung würde viel helfen, etwa den Import drosseln. Das ist ja eines der griechischen Probleme, dass zu viel und zu billig aus Europa importiert worden ist", meint Raffer.
Raffer würde deswegen Griechenland eher mit Kalifornien vergleichen. "Kalifornien ist bankrott, zehn andere Bundesstaaten bewegen sich in der Nähe der Pleite." Und das störe dort offenbar niemanden. "Kalifornien wurschtelt schon länger vor sich hin. Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat den Gläubigern Briefe geschrieben, dass die Schulden dann gezahlt werden, wenn sie das Geld dafür haben. Trotzdem fallen weder die USA noch der Dollar auseinander. Ich sehe nicht, wieso die EU oder der Euro bei einem Konkurs von Griechenland auseinanderfallen sollten", resümiert Raffer.