"Schuldbudget hoch genug, aber zu wenig effizient eingesetzt." | "Reform kann nur nach Dialog aller Beteiligten gelingen." | Wien. "Eine verbesserte Infrastruktur, in der jeder Lehrer in der Schule seinen ordentlichen Arbeitsplatz erhält", das ist für Michael Landertshammer, Leiter der Bildungspolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), erste Voraussetzung für eine aus seiner Sicht dringend nötige Schulreform. Den Auslöser der gegenwärtigen Schuldebatte, die Forderung nach zwei Stunden mehr Unterrichtsarbeit der Lehrer hält Christoph Ascher, Referent in der genannten Abteilung, für eine "singuläre Maßnahme" der Unterrichtsministerin, "das ist nicht die Reform".
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In diesem und in vielen anderen Punkten liegen in getrennt geführten Gesprächen mit der "Wiener Zeitung" die WKO-Experten und der Lehrerbildner und Erziehungswissenschafter Jörg Spenger, der an der Pädagogischen Hochschule (PH) Baden und an der Uni Wien tätig ist, gar nicht weit auseinander. Spenger: "Für eine große Reform sind Schnellschüsse aufgrund einer Budgetknappheit nicht geeignet. Man müsste alle Beteiligten zu einem großen Bildungsdialog an Bord holen, in erster Linie die Lehrer, aber auch Eltern und Schüler, und dann gemeinsam Schlüsse ziehen, was gesellschaftlich gewollt und machbar ist."
Auch für Spenger, der die Standpunkte der Lehrer gut kennt und weitgehend teilt (Lehrer seien heute Prügelknaben der Gesellschaft und sollten alles reparieren, was diese verbockt hat, der Ruf nach zwei Stunden mehr Unterricht sei als Beleidigung empfunden worden), ist vordringlich, an den Schulen "menschenwürdige Lehr- und Lernplätze zu schaffen", dann könne man über eine längere Anwesenheit in den Schulen reden, jetzt lebe ja das System davon, dass ein Lehrer am eigenen Computer und am eigenen Schreibtisch daheim arbeite.
Einig ist man sich auch darin, dass in der Schulverwaltung sehr viel eingespart werden kann - da dort, so eine Studie des Instituts für Höhere Studien, jährlich rund 600 Millionen Euro versickern. "Unser Schulbudget ist hoch genug", meint Landertshammer, "aber es wird zu wenig effizient eingesetzt."
Lehrerausbildung soll vereinheitlicht werden
Die WKO plädiert im Sinne der Anpassung an die moderne Arbeitswelt für eine "flächendeckende Ganztagsbetreuung", den Ausbau einer Ganztagsschule, die den Unterricht sowie Freizeitphasen und Lernen über den ganzen Tag verteilt. Spenger findet, dieses Modell sollte als Option vorhanden sein, aber "manche Eltern wollen ihre Kinder am Nachmittag betreuen", er ist gegen eine Verpflichtung, dass alle Schüler und Lehrer ganztags in der Schule sind.
Weiterer Punkt im Reformplan der Wirtschaft: Es soll eine einheitliche, harmonisierte Lehrerausbildung geben, für alle die "vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe II" (also der AHS-Oberstufe) pädagogisch tätig sind. Alle sollten Vollakademiker werden. Dazu sei ein einheitliches Dienst- und Besoldungsrecht nötig. Auch Spenger erwartet, es werde zu einer Homogenisierung der Lehrerausbildung kommen. Er hält "eine Art modulare Ausbildung" für das Wahrscheinlichste. Unter welchem Dach ist für ihn sekundär, beide derzeit bestehende Institutionen - PH für die Pflichtschullehrer, Uni für die AHS-Lehrer - "haben ihre Stärken, ich könnte mir vorstellen, dass die PHs Institute der Universitäten werden, das würde auch das Lehramtsstudium aufwerten".
Dass gute Leistungen von Lehrern mehr belohnt gehören, dass Schulen mehr Autonomie haben sollen, auch darin stimmen Spenger und die WKO-Experten überein. Auch die Idee, an Schnittstellen der Bildungslaufbahn die Leistungen extern überprüfen zu lassen, findet bei allen Anklang. Spenger hat auch nichts gegen regelmäßige Evaluierungen der Lehrerleistungen: "Die guten Lehrer müssen sich nicht und die schlechten sollen sich davor fürchten."
Der WKO ist auch ein besonderes Anliegen, den laut Studien sehr hohen Prozentsatz an Jugendlichen, etwa 20 Prozent, die nicht sinnerfassend lesen können, zu senken. Hier müsse aber, so Landertshammer und Spenger unisono, der Hebel bei Risikogruppen schon viel früher angesetzt werden. Spenger: "Viele Kinder sind beim Schuleintritt schon benachteiligt."