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Zeitgemäße Hilfsmittel für Polizeiarbeit weiter nicht verfügbar. | Brüssel. Ermittler drängen seit langem auf eine gemeinsame Fahndungsdatenbank für die europäischen Polizeidienste, in der gesuchte Personen auch anhand von biometrischen Daten wie Fingerabdrücken registriert sind. Doch das so genannte Schengen-Informationssystem II (SIS II) funktioniert auch Jahre nach dem geplanten Fertigstellungstermin im Jahr 2007 nicht. Experten befürchten, dass es niemals ans Netz gehen werde und das den Auftragnehmern auch klar sei. Auch mache die EU-Kommission als Projektleiter keine gute Figur.
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Dennoch darf das belgisch-französische Konsortium Hewlett Packard/Steria, das bereits mindestens 80 Millionen Euro eingestreift hat, aller Voraussicht nach weitermachen. Gegen den Widerstand Österreichs, Deutschlands und Frankreichs wurde nämlich ein letzter entscheidender Test des geplanten Systems für gelungen erklärt. Ansonsten hätte das Millionengrab von den Innenministern bei ihrem Treffen nächsten Donnerstag geschlossen werden und die neue Datenbank mit anderen Anbietern realisiert werden können.
EDV reagiert langsam
Tatsächlich stürzte das SIS II im März erstmals 72 Stunden lang nicht ab. Allerdings habe die Antwortzeit für die Abfragen 20 Sekunden statt der geforderten drei Sekunden gedauert, erläuterte ein Experte - also fast sieben Mal so lange. Zudem könne das System nur gleichmäßig mit einer relativ geringen Zahl von Daten gefüttert werden, was vollkommen an der Realität vorbeigehe. In der Praxis betrage die Datenmenge rund das Zehnfache, die Eingabe erfolge zudem unregelmäßig. Dennoch unterstützten offenbar 13 der am Test beteiligten Länder die Auslegung der EU-Kommission, dass die Leistung des Rumpf-SIS II für ein positives Ergebnis ausreichend ist. Daher sei nicht einmal ein Beschluss der Innenminister notwendig, um das Projekt wie gehabt fortzuführen. Bis Juni muss lediglich ein EU-Rechtsakt erneuert werden, der eine Basis für die Einführung des SIS II darstellt und ansonsten ausläuft.
Im Entwurf der EU-Kommission findet sich kein geplantes Fertigstellungsdatum, wie die "Wiener Zeitung" berichtete. Für die nächsten zwei Jahre wird ein Budget von weiteren 20 Millionen Euro vorgeschlagen. Wie viel die neue EDV am Ende kostet, sei unmöglich zu sagen, weil die Projektdauer eben offen sei, hieß es. Experten vermuten, dass noch einmal rund 60 Millionen Euro notwendig sein könnten.
Doch HP/Steria feile bereits an einem komplett neuen System mit dem Arbeitstitel ICD 3, hieß es. Gemunkelt wird, dass das Konsortium die Arbeiten am SIS II nur so lange hinauszögern möchte, bis das ICD 3 als tatsächlich funktionierendes System aus dem Hut gezaubert werden kann. Was die neuerliche Umstellung dann kosten würde, trauen sich Insider nicht einmal zu schätzen.
Dem EU-Parlament platzt angesichts der fortwährenden Verschleppung bereits der Kragen. Noch nächste Woche will es den EU-Rechnungshof auffordern, die bisherige Abwicklung durch die EU-Kommission und die Verwendung der mindestens 80 Millionen Euro genau zu prüfen. Ab 2011 überlegen die Abgeordneten die Mittel für das SIS II zu blockieren, wenn von der EU-Kommission kein detaillierter Zeitplan für einen erfolgreichen Abschluss des Projekts vorgelegt wird.