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Exportieren statt inhaftieren

Von Matthias G. Bernold

Politik

Österreichs Gefängnisse sind überfüllt - die Kosten für den Strafvollzug explodieren. Zusätzlich zur geplanten Justizanstalt im Osten Wiens will Justizminister Dieter Böhmdorfer jetzt eine in Rumänien errichten, um dort in Österreich verurteilte Rumänen zu inhaftieren.


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Seit zwei Jahren verzeichnen die Justizbehörden einen dramatischen Anstieg bei den Häftlingszahlen. Betrug der Insassenstand im November 2001 noch 6.915 Häftlinge, saßen am 24.11.2003 bereits 8.471 Personen hinter Gittern - ein Anstieg von mehr als 20 Prozent. Die Justizanstalt Josefstadt beim Wiener Straf-Landesgericht sei zu 138 Prozent ausgelastet - "die platzt aus allen Nähten", erklärte Böhmdorfer gestern in seiner Pressekonferenz zur Jahreswende.

Mehr Justizwache

Als Antwort auf diese "Kriminalitätswelle unglaublichen Ausmaßes", will Böhmdorfer zum einen rund 450 zusätzliche Justizwachebeamte einstellen. Zum anderen hat er bauliche Maßnahmen im Sinn. So soll etwa die Justizanstalt Josefstadt, wo seit Schließung von Jugendgerichtshof und Justizanstalt Erdberg Jugendliche und Erwachsene untergebracht sind, aufgestockt werden. Bis 1. Juli 2004 sollen so neue Haftplätze entstehen. In Planung befindet sich auch der Bau eines zweiten Straflandesgerichts mit angeschlossener Justizanstalt für 700 Häftlinge in Wien. Zwei Standorte im 3. bzw. 11. Bezirk stehen zur Wahl. Kosten senken will der Minister durch Finanzierung einer neuen Justizanstalt in Rumänien. Böhmdorfer beziffert die derzeitigen Kosten des Strafvollzugs für kriminelle Rumänen in Österreich mit ca. 1,400.000 Euro jährlich (275 Rumänen sind in Österreich momentan in Haft). Die Errichtung eines Gefängnisses mit österreichischer Finanzhilfe wäre - betont Böhmdorfer - wesentlich billiger. In Österreich Verurteilte könnten für den Strafvollzug nach Rumänien überstellt werden, "wenn die Verdachtslage klar ist und der Strafvollzug in Rumänien funktioniert". Grundlage für diese Abschiebung soll ein völkerrechtlicher Vertrag werden.

Keine legistischen Maßnahmen

Begleitende legistische Maßnahmen, die die Zahl der Inhaftierten verringern könnten, sind nicht vorgesehen, meinte Böhmdorfer auf Anfrage der "Wiener Zeitung". Der Ausbau der bedingten Entlassungen sei ohnehin im Regierungsprogramm festgeschrieben, scheitere aber vielfach an der Umsetzung durch die Richter. An der Deliktsqualifikation der gewerbsmäßigen Begehung will Böhmdorfer festhalten. Sie war verschiedentlich kritisiert worden, weil die unklare Formulierung - v.a. bei Ladendiebstählen - dazu führt, dass Ausländer besonders oft und schnell im Gefängnis landen.

Schnellere Zivilverfahren

Sparpotenzial von einer Mrd. Euro jährlich sieht Böhmdorfer durch eine Beschleunigung der Zivilprozesse und verweist auf eine Studie des Kreditschutzverbandes. Damit Zivilverfahren in längstens einem Jahr abgewickelt werden können, seien 200 zusätzliche richterliche Planposten nötig, die mit 15 Mill. Euro zu Buche schlagen würden. Böhmdorfer: "Durch Investieren ins Personal ließe sich viel Geld sparen."