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EU-Kommission untersuchte wirtschaftliche Ungleichgewichte.
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Brüssel. Es könnte ein Luxusproblem sein. Ist es gewissermaßen auch. Denn der deutsche Exportüberschuss trägt wesentlich zur wirtschaftlichen Stärke des Landes bei. Gleichzeitig ist er aber eine der Ursachen für ökonomische Ungleichgewichte in der Eurozone, die der EU-Kommission Sorgen verursachen. Diese Differenzen hat die Behörde einer Analyse unterzogen und präsentierte deren Ergebnisse in Brüssel.
Nun gehe es nicht darum, Deutschland einseitig zu kritisieren, erklärte dabei Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn. Vielmehr würde er sich wünschen, dass jedes Mitgliedsland bei den Ausfuhren derart gute Zahlen habe. Allerdings müsste die Regierung in Berlin sich ebenfalls darum bemühen, die Binnennachfrage sowie die Inlandsinvestitionen zu fördern. Denn der Überschuss in der Leistungsbilanz zeige nicht zuletzt, dass Deutschlands Einkommen zu einem großen Teil aus dem Ausland finanziert werde.
Gerade das aber liefert Kritikern der deutschen Exportstärke Argumente: Ländern mit Überschüssen stehen andere mit Defiziten gegenüber, die ihre Importe über Schulden finanzieren müssen. Das vergrößere die ökonomischen Klüfte in der Währungsgemeinschaft - und darüber hinaus. Für die USA aber auch den Internationalen Währungsfonds tragen die Deutschen gar weltweit zu den Ungleichgewichten bei. Immerhin haben sie im Vorjahr Waren im Wert von fast 200 Milliarden Euro mehr exportiert als eingeführt. Das Plus entspricht etwa sieben Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP); die Kommission stuft Werte von mehr als sechs Prozent als gefährlich für die Stabilität ein.
Die Regierung in Berlin hatte die Kritik bisher zurückgewiesen: Die Leistungsbilanz sei ein Zeichen der deutschen Wettbewerbsfähigkeit. Doch mittlerweile scheint sich diese Einstellung ein wenig zu ändern. In einem internen Papier räumen Experten des Wirtschaftsministeriums ein, dass "exzessive und dauerhafte Ungleichgewichte" für die Stabilität der Eurozone schädlich seien, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters. Um diese Unterschiede zu verringern und Spannungen im Währungsraum entgegenzuwirken, sollen die Investitionen und binnenwirtschaftlichen Wachstumskräfte gestärkt werden. Parallel dazu rechne die Regierung "mit einem Rückgang des Leistungsbilanzsaldos auf 6,9 Prozent des BIP in diesem und 6,5 Prozent im nächsten Jahr".
Höhere Investitionen nötig
Für die Kursänderung hat die EU-Kommission ein paar Ratschläge parat. Nicht nur zu höheren Investitionen ermuntert die Behörde, sondern auch zu Reformen im Dienstleistungssektor sowie zum Ausbau von Ganztagesschulen und Kindergärten. Dadurch könnte der Anteil von Frauen am Arbeitsmarkt beträchtlich gesteigert werden, meinte Rehn.
Deutschland ist allerdings bei weitem nicht der einzige Staat, in dem die Kommission Reformbedarf ortet. Insgesamt 17 Länder hat sie auf ökonomische Ungleichgewichte untersucht; nicht darunter war Österreich. Für drei Mitglieder gibt sie Entwarnung: In Dänemark, Luxemburg und Malta gibt es keine Ungleichgewichte. Übermäßig sind diese hingegen in Italien, Slowenien und Kroatien.
Daher fordert die Behörde Rom auf, möglichst rasch zu reagieren und Reformen durchzusetzen. Zu Italiens größten Problemen gehören die schwache Wettbewerbsfähigkeit und die hohe Haushaltsverschuldung. Doch auch die Regierung in Paris müsse dringend tätig werden. In Frankreich wachse das Handelsdefizit, die Löhne seien vergleichsweise hoch. Überprüft wurden ebenfalls Belgien, Bulgarien, Finnland, Großbritannien, Irland, die Niederlande, Schweden, Spanien und Ungarn. Die Staaten hätten großteils Fortschritte bei der Bewältigung ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten gemacht, befand Rehn. Doch gebe es noch Herausforderungen, zu denen vor allem die hohe Auslandsverschuldung einiger Mitglieder zähle.
Die Länder sollen nun bis Ende April ihre nationalen Reformprogramme vorlegen. Ihre Empfehlungen dazu will die Kommission dann Anfang Juni abgeben.