Verbesserung im Budgetgesetz 2012 "nicht spruchreif". | Neuer Fokus auf Schwarzmeerregion und Donauraum sorgt für Frust in Branche; Lob seitens WKO. | Wien. Betrachtet man die Anstrengungen der EU-15-Länder, liegt Österreich auf dem wenig ruhmreichen 12. Platz.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
So wenig Geld für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) hat Österreich im vergangenen Jahr springen lassen - nämlich nur 0,32 Prozent seines Bruttonationaleinkommens. Und dabei ist statistisch gesehen 2010 sogar mehr geflossen als 2009. Das aber "vor allem, weil die Gelder aus dem Schuldennachlass" von Entwicklungsländern in die EZA-Gelder seitens Österreichs diesmal hineingerechnet worden sind. So heißt es in einem Memo der EU-Kommission Anfang April, das die frischesten OECD-Daten dazu zitiert. "Inflated data" - "aufgeblasene Zahlen", schreibt die EU-Kommission und merkt an, dass diese Art der Rechnung zwar "erlaubt" ist, allerdings tatsächliche Entwicklungsgelder nicht hinfällig macht. Österreich war im Memo das einzige Land, bei dem sich 2010 dieser Kunstgriff so stark zu Buche geschlagen hat, dass ihn die EU-Kommission extra herausgestrichen hat. 2009 gab es nur 98,8 Millionen Euro EZA-Hilfe. 2010 erhöhten sich die Hilfen dank der Hereinnahme der Entschuldung (von Kongo, Togo, Liberia und Zentralafrikanischer Republik) auf dem Papier auf 117 Millionen Euro.
Hilfsgelder bis 2014 um ein Drittel gekürzt
Die tatsächlichen Gelder für Entwicklungshilfe aber sind in Österreich - nach relativ guten Jahren von 2005 bis 2007 - nun im Sinkflug. Zuletzt sind rund 100 Millionen Euro seitens des österreichischen Staates in Entwicklungsregionen geflossen. 2011 sind nur noch 83 Millionen Euro dafür budgetiert, der grobe Plan vom Vorjahr hat für das Jahr 2014 sogar nur noch 65 Millionen Euro dafür vorgesehen. Damit würde das Budget der Austrian Development Agency (ADA) um ein Drittel sinken. Und Österreich wäre ferner denn je seiner völkerrechtlichen Verpflichtung, bis 2015 rund 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) in die Entwicklungshilfe zu stecken. Das Zwischenziel, 2010 zumindest 0,51 Prozent für Entwicklungshilfe zu erreichen, ist schon verpasst worden.
Jetzt hoffen die österreichischen Hilfsorganisationen, dass der Außenminister und inzwischen designierte Vizekanzler Michael Spindelegger sein Versprechen wahr macht. Es sei eine "Talsohle", die der Wirtschaftskrise geschuldet sei.
Vor kurzem hat Spindelegger die Erhöhung der EZA-Gelder in Aussicht gestellt. Doch am Gründonnerstag hieß es auf Anfrage der "Wiener Zeitung", dass "noch nichts spruchreif" sei.
Dabei wird morgen, Mittwoch, im Ministerrat das Budgetrahmengesetz für 2012 im Detail beschlossen. Nichtregierungsorganisationen (NRO) sowie kirchliche Verbände üben sich im Schulterschluss und haben vergangene Woche einmal mehr die Erhöhung der EZA-Hilfe gefordert.
Außenministerium: Spielraum nur bei EZA
Spindelegger kam vergangenes Jahr stark unter Beschuss, als er im zweiten Kürzungsdurchgang für das Bundesbudget noch stärkere Einschnitte für sein Ressort hinnahm, während alle anderen Ministerien relativ glimpflich davonkamen. "Spindelegger hat offenbar sein eigenes Ressort aufgegeben", diagnostizierte im Oktober Alexander Van der Bellen, außenpolitischer Sprecher der Grünen. Der Haken dabei: Kürzungen bei den Diplomaten sind schwer bis unmöglich.
Was bleibt als Brocken im Ministeriumsbudget, ist die ADA, denn deren Budget ist eine Manövriermasse - weil es nirgends in Gesetzen verankert ist. Das ist ein Dorn im Auge der Hilfsorganisationen und auch schon bei internationalen Evaluierungen kritisiert worden - denn es wird dadurch erschwert, konsistente Entwicklungspolitik zu betreiben.
Verschiedene Kanäle in der Entwicklungshilfe
Die ADA wurde gegründet als Außenstelle des Ministeriums, um die EZA-Gelder zu verwalten und an Projekte zu verteilen. Diese bestehen zu einem Drittel aus Geldern für österreichische Nichtregierungsorganisationen (etwa Caritas oder Care), zu einem weiteren Drittel aus bilateralen Budgethilfen, die von Österreich direkt an die Regierungen in Entwicklungsländern vergeben werden (beispielsweise finanziert Österreich den Aufbau des Agrarministeriums in Mosambik). Daneben werden internationale Projekte gefördert, aber auch österreichische Unternehmen in Schwerpunktregionen. Die Strategie kommt jedoch noch immer aus dem Außenministerium. Und damit ist man bei der ADA derzeit besonders unglücklich. Nicht nur, dass das Budget nun jedes Jahr um zehn Prozent gekürzt werden soll, was einen Mitarbeiterabbau bedeutet, sondern auch die neue Themensetzung stößt auf Unverständnis.
2009 bekamen die Projekte der Nichtregierungsorganisationen noch 28,48 Millionen Euro. In den kommenden Jahren sollen dafür im Budget nur noch 13 Millionen Euro zur Verfügung stehen, mit einem langsamen Ausschleifen. "Das geht, weil 2010 die Schwerpunktregionen geändert wurden", erklärt Petra Navara, Geschäftsführerin von "Globale Verantwortung", dem Dachverband österreichischer NRO.
Die Region Nicaragua wird aufgegeben. Dafür kamen Länder in Südosteuropa/Donauraum (Albanien bis Serbien) und in der Schwarzmeerregion hinzu. Diese werden nun teilweise über Länderbudgets einzeln gefördert, andererseits wird man österreichischen Unternehmen, wollen sie in diese Länder investieren, mit den EZA-Geldern verstärkt unter die Arme greifen. Bis zu 50 Prozent können von Joint-Ventures oder Machbarkeitsstudien von der ADA finanziert werden, 2 Millionen Euro stehen allein dafür zur Verfügung.
Die Wirtschaftskammer (WKO) hat diesen neuen Fokus begrüßt. Bei der ADA selbst ist man laut Navara "aus allen Wolken gefallen", als das Ministerium im Herbst diese neuen Schwerpunktregionen mitteilte. Bei der ADA sehen sich derzeit einige Mitarbeiter nach neuen Jobs um - sofern ihre Stellen nicht ohnehin schon gekürzt worden sind. Schrumpfungsszenarien machen die Runde. Ein Stockwerk soll schon aufgeben worden sein, der Frust ist spürbar.
Um alternativ Gelder aufstellen zu können, wurde im November beschlossen, dass Spenden an die ADA möglich und steuerlich absetzbar sein sollen. Damit konkurriert sie mit NRO um die privaten Spenden. "Allerdings kann man da nicht sicher sein, ob man mit seiner Spende nicht die Machbarkeitsstudie eines Unternehmens für den Eintritt in der Schwarzmeerregion finanziert", meint Navara.