Die Europäische Zentralbank (EZB) hat es mit der Anhebung der Leitzinsen nicht eilig. Der EZB-Zentralbankrat beschloss am Mittwoch bei seiner auswärtigen Sitzung in Berlin erneut, den maßgeblichen Zinssatz bei zwei Prozent zu belassen. Zuletzt hatte die Notenbank den wichtigsten Zins der Eurozone im Juni 2003 um einen halben Prozentpunkt gesenkt.
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Am Dienstag hatte die US-Notenbank Fed ihrerseits die Zinsen um einen Viertelpunkt auf drei Prozent erhöht. Es war die achte Anhebung seit Ende Juni 2004, als die Bank nach vier Jahren eine Zinswende eingeleitet hatte.
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet sagte, er rechne kurzfristig mit einem abgeschwächten Wirtschaftswachstum in der zwölf Länder umfassenden Eurozone. Eine Senkung der Leitzinsen sei jedoch "derzeit keine Option". "Wir bereiten uns nicht auf eine Zinssenkung vor, ganz und gar nicht", betonte der Zentralbankchef. Der Beitrag der EZB zum Wachstum bestehe in der Preisstabilität.
Damit widersetzte sich die EZB dem wachsenden Druck europäischer Politiker, die zur Steigerung der Nachfrage eine Senkung der Zinsen gefordert hatten, darunter Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Italiens Vize-Wirtschaftsminister Mario Baldassari hatte den Währungshütern noch am Vormittag nahe gelegt, die Zinsen zu senken statt der Linie der Fed zu folgen und sie zu erhöhen. Doch solche Einmischungsversuche trafen schon in der Vergangenheit bei der Zentralbank auf taube Ohren.
Die amerikanische Notenbank deutete unterdessen an, bei ihrer Politik der moderaten Zinserhöhungen bleiben zu wollen. Mit der aktuellen Anhebung solle "nachhaltiges Wachstum" als auch Preisstabilität erreicht werden. Der derzeitige Rückgang des Wachstums und die höhere Inflation wurzeln vor allem in den hohen Energiepreisen.
Bei der Bekanntgabe der Zinsentscheidung unterlief der Fed ein peinlicher Fauxpas. In der Begründung war versehentlich ein entscheidender Satz gelöscht worden. In der ursprünglichen Mitteilung hieß es nur, der Inflationsdruck habe in den vergangenen Monaten zugenommen. Die Finanzmärkte werteten dies als schlechtes Zeichen. Was fehlte, war die versöhnliche Aussage, dass die langfristigen Inflationserwartungen "unter Kontrolle" seien. Erst als der fehlende Satz wenige Minuten vor Börsenschluss wieder eingefügt wurde, drehte der Dow Jones vom Minus ins Plus.