Strafzins für Geschäftsbanken auf ihre Einlagen auf minus 0,40 Prozent herabgesenkt.
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Frankfurt. Die Finanzwelt wollte überrascht werden, und Mario Draghi hat geliefert. Am Donnerstag präsentierte der Chef der Europäischen Zentralbank EZB ein neues Maßnahmenpaket, dass die Erwartungen von Marktbeobachtern bei Weitem übersteigt. Die EZB beschloss, an allen drei wichtigen Zinsschrauben zu drehen. Der ohnedies negative Zinssatz für die ungeliebten Einlagen von Geschäftsbanken bei der EZB wurde einmal mehr herabgesetzt. Ungeliebt deshalb, weil die EZB lieber hätte, dass dieses Geld im Umlauf ist, um der Realwirtschaft mit Krediten zur Hand zu gehen.
Demselben Gedanken folgend, wurde der Zinssatz, mit dem Geschäftsbanken kurzfristig Kredite aufnehmen können, herabgesetzt, und zwar von 0,30 Prozent auf nunmehr nur noch 0,25 Prozent. Für die größte Überraschung sorgte, dass die EZB auch beschlossen hat, den Leitzinssatz, der nun eineinhalb Jahre bei 0,05 Prozent lag, noch einmal zu senken: auf in der Eurozone noch nie dagewesene 0,00 Prozent.
Zu diesem also inexistenten Zinssatz können sich Geschäftsbanken langfristig Geld leihen. Die EZB weitet zu diesem Behufe die Möglichkeit der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte aus. Im Juni 2016 soll die zweite Welle von vier neuen langfristigen Basistendern starten und eine Laufzeit von vier Jahren haben.
Daneben kündigte die EZB an, dass das Volumen des monatlichen Anleihenkaufprogramms von den (seit einem Jahr laufenden) 60 Milliarden Euro auf 80 Milliarden Euro pro Monat ausgedehnt wird. Die Liste der dafür in Frage kommenden Anleihen wird daher ein wenig erweitert, auch die Anteile, die die EZB an Anleihen halten kann, wird bei bestimmten Arten von bisher 33 auf 50 Prozent erhöht.
Weshalb fallen die neuen Maßnahmen der EZB - nach so viel Zurückhaltung in letzter Zeit - auf einmal so heftig aus? Im Dezember und Jänner erklärte die EZB nur, dass man "den Markt beobachte". Jetzt, erklärte Draghi, muss die EZB das seit Dezember eingetrübte globale wirtschaftliche Umfeld berücksichtigen. Das hänge mit dem schwachen Wachstum in den Schwellenländern zusammen, mit den Turbulenzen auf den Aktienmärkten und der schleppenden Umsetzung wichtiger Strukturreformen in vielen Ländern Europas. Die Risiken für die Eurozone hätten sich erhöht.
Die EZB hat laut Draghi weiterhin ihr Hauptziel fest im Blick: Preisstabilität. Darunter versteht man in Frankfurt eine Inflation von knapp unter zwei Prozent, von der die Eurozone seit langem meilenweit entfernt ist. Für heuer prognostiziert die EZB eine Inflationsrate von 0,1 Prozent und auch 2018 werden es wohl nur 0,6 Prozent sein. Auch wenn die kaum vorhandene Teuerungsrate hauptsächlich dem niedrigen Ölpreis geschuldet ist und wohl noch länger niedrig bleiben wird, sei es unabdingbar, dass man Zweitrundeneffekte vermeide, sagte Draghi. Er will der potenziellen Deflation, dem Verfall von Preisen, Löhnen und Nachfrage, einen Riegel vorschieben.
Das nun präsentierte Maßnahmen-Paket sei laut Draghi "die beste Antwort" auf alle jene Kritiker, "die behaupten, die EZB verfügt weder über Munition, noch hat sie politische Instrumente". Die EZB zeige nun das Gegenteil. Dann gebe es jene Kritiker, sagte Draghi angriffslustig, die mit einem weiteren, Vorwurf kommen: "Egal, was die EZB mache, es werde keine Auswirkungen haben." Ihnen möchte er ausrichten, dass es die EZB durch ihre bisherigen Maßnahmen geschafft habe, die Fragmentierung der Eurozone zum Verschwinden zu bringen. Die Spreads der Staatsanleihen der Länder der Eurozone haben sich wieder angeglichen. Und, gab Draghi zu bedenken, was wäre passiert, wenn die EZB, gar nichts gemacht hätte? Draghi wechselt von seiner Präsentationssprache Englisch auf drei Worte in Deutsch: "Nein zu allem". Was wäre, fragt Draghi, "wenn wir diese Politik der Nicht-Einmischung, (die speziell von der Deutschen Bundesbank favorisiert wird, Anm.) gefahren wären?" Der Italiener beantwortet das gleich für sich selbst: Die Eurozone wäre schon längst in der Deflation.
Die jetzigen Maßnahmen der EZB würden "ihren Willen zu handeln" unterstreichen und "Pessimisten", die das angezweifelten, eines Besseren belehren, sagte Draghi. Man habe aus diesem Grund auch den Gedanken verworfen, den negativen Einlagezins zu staffeln - diese Maßnahme ist von vielen Beobachtern erwartet worden - und habe ihn stattdessen gleich von minus 0,30 auf minus 0,40 gesenkt, "um zu zeigen, dass wir so weit hinunter gehen können, wie wir wollen". Das sei zwar für ein paar Banken schmerzhaft, für die Branche als Ganzes wurden in der Vergangenheit bei den negativen Raten aber positive Effekte bemerkt.
Alle Zinsraten werden noch für eine lange Zeit sehr niedrig bleiben, aber "wir glauben nicht, dass es notwendig sein wird, sie noch weiter herunterzusetzen." Allerdings, "das Aufkommen neuer Fakten kann das natürlich beeinflussen", warnt Draghi.