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EZB: Weber heizt Debatte um Trichet-Nachfolge an

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Draghi, ein anderer Deutscher oder Mersh? | Weber plant vielleicht Wechsel zur Deutschen Bank. | Brüssel. Das passt Berlin nicht ins Konzept: Gerade als sich die Märkte und der Euro ein wenig beruhigt haben, bricht eine hitzige Nachfolgedebatte um den Posten von Jean-Claude Trichet los, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB). Seine Amtszeit läuft im Oktober aus, das Rennen um seinen Posten scheint wieder völlig offen.


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Gestartet hatte das mediale Personalkarussell der deutsche Bundesbankpräsident Axel Weber, der in kleinem Kreis offenbar von seinem Rückzug von der Bundesbankspitze informiert hatte. Zudem tauchten hartnäckige Gerüchte auf, er wolle den Schweizer Josef Ackermann im Chefsessel der Deutschen Bank beerben.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel schien er damit auf dem falschen Fuß zu erwischen, sie hätte den laut Eigendefinition "konservativen Notenbanker" scheinbar weiterhin eher als neuen EZB-Präsidenten gesehen. Bis zu einer persönlichen Unterredung mit der Kanzlerin wollte sich Weber daher am Donnerstag nicht mehr zu seiner beruflichen Zukunft äußern. "Wir haben Vertraulichkeit vereinbart", sagte er in Wien.

Doch nach Meinung der meisten Kommentatoren hat sich Weber spätestens mit diesem letzten Aufreger aus dem Spiel genommen, ihm fehle vor allem das diplomatische Geschick. Vor gut einem Jahr noch als Top-Favorit für die Nachfolge Trichets gehandelt, hatte sich der Deutsche zunehmend selbst demontiert. Öffentlich kritisierte er wiederholt den EZB-Beschluss, Anleihen von maroden Eurostaaten aufzukaufen, war mit Trichet auf Konfrontationskurs gegangen. Für ihn spricht freilich, dass er Merkel als Stabilitäts-Falke wohl immer noch gut ins Konzept passen würde. In Paris soll man die Mätzchen des deutschen Bundesbankers allerdings langsam satt haben.

Vergabe-Logik spricht gegen Italiener Draghi

Als zweiter Favorit neben Weber galt seit langem der italienische Notenbankchef Mario Draghi. Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte ihn erst unlängst als besten Kandidaten für das EZB-Amt bezeichnet. Doch folgt die Besetzung der Zentralbank wie jene von EU-Institutionen fast immer einer ganz eigenen Logik: Geografisch und politisch ausgewogen sollen die Spitzengremien sein. Gegen Draghi spricht daher, dass erst im Vorjahr mit dem Portugiesen Vitor Constancio ein anderer Südländer zum EZB-Vizepräsidenten gewählt worden war. Eben deshalb hatte Deutschland diese Wahl unterstützt. Einen Italiener könnte Merkel daheim auch schlecht als den neuen Hüter der Währungsstabilität verkaufen, obwohl Draghi an sich einen hervorragenden Ruf hat.

Doch deutsche Alternativen zu Weber sind nicht leicht aufzutreiben. Genannt wurden Klaus Regling, der als Direktor beim Euro-Rettungsschirm eine gute Figur macht, und Jürgen Stark, Chefökonom bei der EZB. Gegen den ersten spricht, dass ihm als früherer Spitzenbeamter in EU-Kommission und deutschem Finanzministerium die Erfahrung als Notenbanker fehlt. Außerdem soll er kein Interesse an dem Job haben. Stark müsste wegen der strikten Zeitlimits im Dienste der EZB aller Voraussicht nach schon 2013 wieder abtreten.

Daher könnte es neuerlich ein Franzose werden, hieß es - oder doch ein Vertreter eines kleinen und besonders stabilen Landes. In Frage käme erneut Yves Mersh, derzeit Chef der Luxemburger Notenbank und letztes Jahr gegen Constancio im Rennen um den EZB-Vize unterlegen. Schwieriger wird es wohl für Erkki Liikanen, langjähriger EU-Kommissar und seit 2004 Leiter der finnischen Zentralbank. Auch Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn ist schließlich Finne. Der immer wieder ins Spiel gebrachte österreichische Nationalbankpräsident Ewald Nowotny hat am Donnerstag erklärt, nicht zu kandidieren.

Und so richten sich die Augen wieder auf Weber und dessen kolportierten Appetit auf den Ackermann-Job. Zuletzt berichteten deutsche Medien, dass es zwischen den Politikern der verschiedenen Parteien unterschiedliche Meinungen darüber gebe, wie lange der Bundesbankpräsident Pause machen müsste, bevor er wieder in der Privatwirtschaft tätig werden kann.

"Europas viele Formen von Wettbewerb:"http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3861&Alias=wzo&cob=543495

+++ Rätselraten um Axel Weber