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Ein brasilianisches Wahlkampfgesetz hat den Medien verboten, Politiker während des Wahlkampfs aufs Korn zu nehmen. Ein Komiker kämpfte dagegen an.
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Wahlen sind in Brasilien eine ernste Sache. Und dass da auch ja niemand lacht, hat seit mehr als einem Jahrzehnt ein entsprechendes Wahlgesetz sichergestellt. Es verbietet humorvollen Medienmenschen, während eines Wahlkampfs "auf Tricks, Bearbeitungen oder jegliche andere Mittel zurückzugreifen, die auf irgendeine Weise einen Parteikandidaten herabsetzen oder lächerlich machen."
Für Berufskomiker bedeutete das eine dreimonatige Durststrecke - das ist die Vorlaufzeit für die Parodie-Sperre. Da am 3. Oktober in Brasilien Präsidentschaftswahlen anstehen, konnten Komiker somit seit 3. Juli nicht mehr auf ihr berufliches Grundnahrungsmittel zurückgreifen: Politiker aufs Korn zu nehmen. Dafür, dass Medien und Künstler sich auch wirklich an das Gesetz hielten, haben die drakonischen Strafen gesorgt: Mit bis zu 45.000 Euro wurde ein Verstoß geahndet.
"Das ist ein Witz - und er ist in keiner Weise komisch", fand der brasilianische Humorist Fabio Porchat. Er organisierte daher einen Massenprotest gegen die "Zensur des Humors". Gemeinsam mit Leidensgenossen und Anhängern demonstrierte er lautstark am berühmten Strand der Copa Cabana in Rio de Janeiro.
Auf den ersten Blick wirkt Porchat wie ein milchgesichtiger Kleinkünstler. Doch der 27-Jährige ist nicht irgendwer. Bereits im Alter von 19 Jahren wurde er als parodistisches Talent entdeckt. Über diverse Shows stieg er rasch zu einem landesweit beliebten Komiker auf und gründete die Stegreif-Komödianten-Truppe "Comédia em Pé". Heute ist er als Autor und Schauspieler einer der prominentesten Vertreter des mächtigen Rede Globo, des größten brasilianischen und lateinamerikanischen TV-Netzes. Er verfügt somit mit seiner Bewegung "Humor ohne Zensur" über eine starke mediale Hausmacht. Den Protesten der Bewegung schlossen sich auch andere Große an, darunter der brasilianische Rundfunk- und Fernsehverband.
Zum Witzeverbotsgesetz befragt, haben die drei Spitzenkandidaten der Präsidentschaftswahl versichert, sie hätten nichts gegen politische Komödie während des Wahlkampfs. Schließlich hatte Fabio Porchat Erfolg. Der Vizepräsident des Obersten Gerichtshofs setzte das Gesetz vor kurzem aus, weil er befand, dass es die Meinungsfreiheit einschränke. "Gerade während des Wahlkampfs brauchen die Gesellschaft im Allgemeinen und die Wählerschaft im Speziellen eine freie Presse", argumentierte der Richter.
Vorerst dürfen Brasiliens Komödianten also wieder ihrer Arbeit nachgehen und Politiker auf die Schaufel nehmen. Nun liegt es am Obersten Gericht, ob das Gesetz generell abgeschafft wird und somit die Brasilianer auch bei künftigen Wahlen etwas zu lachen haben werden.