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Sergio Marchionne, stets im Pullover und krawattenlos auftretender Fiat-Geschäftsführer und seit dem Vorjahr auch Vorstandschef des krisengeschüttelten US-Autobauers Chrysler, nahm auch im blutenden Herzen der Branche, beim Detroiter Autosalon zu Anfang des Jahres, kein Blatt vor den Mund: Die Autoindustrie müsse Kapazitäten abbauen, um das Überleben der Hersteller zu sichern: "Wir müssen die Produktion drosseln."
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Marchionne musste seine Rede zweimal unterbrechen: Ein Mann rief immer wieder "Schande!", bevor er von Sicherheitskräften abgeführt wurde. Andere ließen an zwei Heliumballons ein Banner aufsteigen mit dem Text: "Fiat-Chrysler: Schon bei der Lieferung kaputt?"
Die globale Autoindustrie habe zurzeit Fabriken für den Bau von 94 Millionen Pkw und Lkw im Jahr. Das seien 30 Millionen mehr, als verkauft werden könnten, rechnete Marchionne ungerührt vor. Und während in Nordamerika bereits Werke geschlossen worden seien, stehe dies in Europa noch aus - weil die Stützungsgelder der Regierungen eine Scheinkonjunktur hervorgerufen hätten, die den Markt verzerre.
Marchionne bleibt dabei: Die Entscheidung, eine Fiat-Fabrik auf Sizilien stillzulegen, ist unwiderruflich; Auch die meisten der schon vom Chrysler-Vorbesitzer, dem Investmentfonds Cerberus, stillgelegten Chrysler-Werke wird er nicht mehr aufsperren.
Dennoch sieht er in der Allianz mit Chrysler - bei der er gerne auch die europäische GM-Tochter mit den Marken Opel und Vauxhall dabei gehabt hätte - die einzige Chance für beide Hersteller: Ein Autokonzern, der nicht mindestens fünf oder besser sechs Millionen Autos pro Jahr weltweit verkaufen kann, wird nicht überleben, war immer schon sein Credo. Erst ab dieser Größenordnung könne man die hohen Entwicklungs- und Investitionskosten tragen, die nötig seien.
Und die Entwicklung gibt ihm recht: Einzig der Volkswagenkonzern, der auf immer weniger gemeinsamen Plattformen immer mehr Fahrzeuge seiner mittlerweile zehn Marken baut, hat die schwere Branchenkrise der Jahre 2008/09 nahezu ohne Kratzer überstanden und sogar Marktanteile gewonnen.
Sparzwang und hohe Forschungsaufwendungen treiben die Autobauer immer häufiger in Partnerschaften, zuletzt den Stuttgarter Autobauer Daimler mit dem französischen Hersteller Renault und dessen japanischen Kompagnon Nissan.
Noch ziehen der Boom in China und Lateinamerika sowie der nach dem Zusammenbruch wieder auf ein Normaljahr hinwachsende US-Markt die Branche weltweit voran. In Europa aber wird der Autoabsatz heuer um bis zu einem Fünftel sinken, erwartet Marchionne - und nur zwei kleinere Fabriken sperren zu.
Siehe auch:Autobranche fährt rascher aus der Krise als erwartet