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Facebook-Hetze gegen Migranten

Von Christoph Rella

Politik

Wenn "Freunde" sich als Rechte outen. | Behörden raten zu rascher Anzeige. | Soziologe: "Täter fühlen sich sicher."


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Wien. "Ich bin dafür, dass das Flüchtlingsheim in der Gemeinde weg gehört, die Schweine." Diesen Satz hat Kurt (Name von der Redaktion geändert) vor wenigen Tagen als Statusmeldung auf seinem Facebook-Konto gepostet. Immerhin 18 seiner "Freunde" goutierten seine Meinung sogar mit einem "Gefällt mir". Andere legten noch nach. "Wenn’s wirklich da einmal brennen sollte, zahl’ ich die 4000 Liter Benzin zum Löschen", schrieb ein User. Und ein weiterer fügte hinzu: "Weg mit diesen wurmstichigen Schwammerln, die im Heim glauben wirklich, denen gehört alles alleine."

Fremdenfeindlichkeit im Internet ist nichts Neues. So waren etwa rechte Parolen immer schon auf einschlägigen Homepages oder Foren - meistens anonymisiert - zu finden. Dass hingegen nun auf Online-Netzwerken wie Facebook unter vollem Namen zur Brandstiftung aufgerufen wird, ist neu - und alarmiert. Wie ist es etwa möglich, dass sich einzelne User so offen exponieren dürfen? Und: Wird das überhaupt kontrolliert?

Im Justizministerium ist das Problem bekannt. Über ein Rezept dagegen verfügt man allerdings nicht. "Es ist allein von den Ressourcen her unmöglich, alle Online-Netzwerke und Foren zu überwachen", meint dort ein Beamter auf Anfrage.

Auf Private angewiesen
Stattdessen sei man einmal mehr auf die Mithilfe privater User angewiesen, "strafrechtlich relevante Postings bei den Behörden zu melden", heißt es aus dem Justizressort. "Wir können nur dann von Amts wegen aktiv werden, wenn eine Anzeige vorliegt oder unsere Mitarbeiter dienstlich auf problematische Inhalte stoßen." Dazu zählen Online-Einträge, die den Tatbestand der Wiederbetätigung, der Verhetzung oder auch der Verbreitung von Kinderpornographie erfüllen.

"Was es jetzt schon gibt, sind Anzeigen wegen übler Nachrede im Internet, wenn beispielsweise Unwahrheiten über Dritte erzählt werden." Im Justizministerium rät man dazu, Personen, die problematische Inhalte posten, zu widersprechen und zu kritisieren: "Solche Leute fühlen sich im Internet immer noch sicher. Zu widersprechen verlangt daher Zivilcourage." Internet-User sollten aufmerksam bleiben und strafrechtlich relevante Inhalte bei der neuen Meldestelle für "Cybercrime", die im Bundeskriminalamt Wien angesiedelt ist, anzeigen.

Über Arbeitsmangel können die 300 Mitarbeiter des "Kompetenzzentrums gegen Cyber-Crime" nicht klagen. Seit der Gründung der Meldestelle Mitte Mai seien immerhin bereits rund 300 Anzeigen eingelangt, erläutert Silvia Strasser, Pressesprecherin des Bundeskriminalamts, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Wie am Stammtisch
"Sämtliche Meldungen, die bei uns per E-Mail eingehen, werden von Experten überprüft und die Hintergründe recherchiert", sagt sie. Häufig angezeigt würden vor allem Betrügereien und Datendiebstähle. "Allerdings werden nicht alle Fälle gemeldet, die Dunkelziffer ist hoch", fügt sie hinzu. Und: "Das Internet ist der größte Tatort der Welt."

"Leute, die diffamierende und beleidigende Aussagen ins Internet stellen, würden sich nie trauen, das auch in der Öffentlichkeit zu tun", zeigt sich der Wiener Soziologe Roland Girtler überzeugt. "Sie glauben, dass sie anonym sind und es keine Sanktionen gibt."

Anzeige über Facebook
Diese Art der Kommunikation ähnle so manchem Stammtisch-Gespräch, wo ebenso offen und unreflektiert diskutiert und kritisiert werde. Diesen Menschen gehe es auch darum, bewusst zu provozieren, meint Girtler. "Und das klappt im Facebook mit seiner Grenzen- und Schrankenlosigkeit sehr gut." Vom Rat des Justizministeriums, problematische Online-Einträge wiederum als privater User kritisch zu kommentieren, hält der Wissenschaftler nichts. "Wenn ich dem antworte, dann liefere ich dem Autor nur eine zusätzliche Bestätigung."

Um dies zu vermeiden, bleibt noch die Möglichkeit, Eingaben, die gegen aktuelle Gesetze oder die Richtlinien von Facebook verstoßen, direkt beim Unternehmen zur Anzeige zu bringen. So befindet sich auf der entsprechenden Profilseite auf der linken Seite ein "Melden"-Link. Daraufhin öffnet sich ein Formularfeld, das vom User ausgefüllt werden muss. Eingabesprache ist Englisch.