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Facebook, Twitter & Co als ungenützte Chance für Europapolitik

Von Paul Schmidt

Gastkommentare
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.

Die Kommunikation über Europa am virtuellen Stammtisch klappt noch nicht.


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Die Digitalisierung und das rasante Wachstum sozialer Medien haben die europäische Politik ziemlich verschlafen. Deren Informationen und Erklärungen kommen in der digitalen Welt nicht an - jedenfalls nicht in ausreichendem Maß. Während etwa das Freihandelsabkommen TTIP, der Aktionsplan mit der Türkei oder die Frage der Glyphosat-Zulassung in sozialen Netzwerken zerpflückt werden, reagieren offizielle Seiten zu spät und passiv. Daten und Fakten ziehen gegen negative Emotionen den Kürzeren.

In den Versäumnissen liegt aber eben auch eine Chance: Die europapolitische Kommunikation könnte auf den Kopf gestellt und neu durchdacht werden. Es braucht ein besseres Verständnis, was und vor allem wie auf Facebook, Twitter und Co. kommuniziert wird. Neben ergebnisorientierter Politik steht die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen werden, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Egal ob TTIP, Panama-Papers oder die Krise der Flüchtlingspolitik: Eingefordert werden Transparenz und Verantwortung.

Nachrichten in Echtzeit und die Möglichkeit, selbst Akteur zu sein, prägen das heutige Informationsverhalten. Geografische, gesellschaftliche und zeitliche Grenzen lösen sich dabei zunehmend auf. Eine multimediale Präsenz - manchmal rund um die Uhr - ist quasi Normalzustand, Berufs- und Privatsphären verschmelzen. Gerade auch die europäische Politik müsste sich darauf einstellen. Es kann spannend sein, wenn etwa EU-Regierungschefs aus Sitzungen heraus Beschlüsse vorab elektronisch nach draußen tragen.

Aber wird die digitale Kommunikation auch verstanden? Ihre Kommunikationskanäle werden zwar benutzt, die Ergebnisse jedoch letztlich oft als "Propaganda" rezipiert. Schnell sein ist wichtig, der notwendige Dialog aber findet zu selten statt.

Politik soll erklären, am besten im direkten Gespräch, Politikerinnen und Politiker als "eine/r von uns" wahrgenommen werden. Dafür müssen diese selbst soziale Medien nützen wollen. Denn soziale Kommunikationskanäle leben von ungefilterten Neuigkeiten, von der Einladung zur Interaktion und damit zum Dialog auf Augenhöhe.

Die menschliche Seite verstärkt die politische Message. So präsentiert der finnische Finanzminister Alexander Stubb auf Twitter etwa sein Triathlon-Training, während der österreichische EU-Parlamentarier Michel Reimon auf Facebook ein "ZiB2"-Interview zur Diskussion stellt. Offenheit, Authentizität und Erreichbarkeit vermitteln den "Fan-Gemeinden" im Internet jedenfalls das Gefühl, an der politischen Meinungsbildung teilhaben zu können.

Es zählen Standpunkte und Argumente, die grenzüberschreitend wirken und reflektiert werden. Um eine (beziehungsweise 28 nationale) europäische Öffentlichkeit(en) zu erreichen, braucht es themenspezifische und mehrsprachige Beiträge. Richtig genutzt wären der digitalen EU-Kommunikation jedenfalls keine Grenzen gesetzt. Im Gegenteil, die Demokratisierung der Kommunikation und die Einladung zum Dialog sind Gebote der Stunde.

Hier stehen etliche Akteure noch am Anfang einer Entwicklung, deren Potenzial sie wesentlich intensiver nützen sollten.