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Facebooks dunkle Seiten

Von Stephanie Anko und Magdalena Brugger

Politik
2543 Personen haben die Seite "KAR - Kriminelle Ausländer Raus" mit "Gefällt mir" angegeben.
© Wiener Zeitung

Rassismus in sozialen Netzwerken wird nur sehr selten strafrechtlich verfolgt.


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Wien. "Erschossen gehören’s, diese Hurenkinder von Asylanten", "Genetisch barttragender Abschaum", "Moslemtrottel", "Mit dem Ostzug gehören’s weg", "Die sollen krepieren da unten". Rassistisches und fremdenfeindliches Gedankengut offenbart sich in diesen Facebook-Meldungen. Wie eine Recherche der Medien-Servicestelle Neue Österreicher/innen (MSNÖ) ergeben hat, nehmen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in sozialen Medien zu.

Auf Facebook muss man schon zweimal hinschauen, bevor rassistische Äußerungen und Einstellungen entdeckt werden. Das hat vor allem einen Grund: Die Betreiber hüten sich vor allzu offenen rassistischen Äußerungen - weil sie verhindern wollen, dass Facebook ihre Seite sperrt. Im Gegensatz zum Videoportal YouTube sperrt Facebook im deutschsprachigen Raum relativ rasch Seiten mit rassistischen Inhalten. Aus diesem Grund findet man mehr rassistische Inhalte auf YouToube als auf Facebook - obwohl Letzteres in Österreich eine größere Reichweite hat, erklärt der Sozial- und Kulturwissenschafter Thomas Philipp gegenüber der "Wiener Zeitung."

So gibt sich etwa die Seite "KAR - Kriminelle Ausländer Raus" als "Beschützer aller Inländer und integrierter Ausländer". Viele Meldungen und Kommentare der Nutzer sind klar fremdenfeindlich und rassistisch. Besonders islamfeindliche Aussagen sind da häufig anzutreffen. Die Seite "SOS-Österreich" warnt wiederum vor "radikaler Islamisierung". In den Kommentaren auf dieser Seite werden Moslems als "Pest" und "Scheiß Islamisten" bezeichnet.

Rassistische Äußerungen in sozialen Medien werden nur selten strafrechtlich verfolgt. Das liegt daran, dass Quellen im Internet einfach zu vertuschen sind. "Dennoch ist das Internet kein straffreier Raum", sagt der Kriminalbeamte und Datenforensiker Uwe Sailer. Verhetzung, Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede werden auch in sozialen Medien geahndet. Strafbar für rassistische Äußerungen in sozialen Medien ist jene Person, die die Äußerung tätigt - nicht der Administrator der Seite. Dieser kann nur dann verantwortlich gemacht werden, wenn er über das Vergehen informiert ist und nichts dagegen unternimmt. Sailer erhält rund fünf Anzeigen pro Monat, die sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus im Internet richten. 80 Prozent davon beziehen sich auf Facebook.

Nicht alles, was in unserem Kulturkreis als rassistische Äußerung aufgefasst wird, ist strafbar. Die Verwendung des Begriffs "Neger" ist laut Sailer zwar gesellschaftspolitisch verwerflich, rechtlich aber nicht automatisch strafbar. Erst wenn sich die Äußerung gegen eine bestimmte Person oder Gruppe richtet und die öffentliche Ordnung gefährdet, wird sie strafbar. Das gilt in der realen Welt wie im Internet, also auch auf Social-Media-Plattformen wie Facebook. Rechtlich gesehen fallen rassistische Äußerungen meist in den Bereich der Verhetzung, die in § 283 des Strafgesetzbuchs definiert ist.

NPD und Bob Marley

Rassistische Denkweisen hängen nicht unbedingt vom Bildungsgrad ab. Sowohl unter Akademikern als auch in bildungsfernen Schichten sind Menschen vertreten, die rassistisches Gedankengut verbreiten. Geschlecht und Parteienpräferenz sind ebenso wenig ausschlaggebende Faktoren, wird im wissenschaftlichen Bericht "Rassismus und Social Media" (2012) festgestellt. Hauptzielgruppe von rassistischen Gruppierungen und Akteuren sind Menschen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren. Besonders auf Social-Media-Plattformen treffen diese Gruppierungen auf ihre junge Zielgruppe.

Die Medien- und Kommunikationssoziologin Romy Wöhlert sieht das etwas anders: "Bei Personen, die rassistisches Gedankengut entwickeln, handelt es sich meistens um Personen mit einem schlechten ökonomischen Status und einem niedrigen Bildungsgrad. Diese wenden sich gegen Andere, um sich selbst dadurch aufzuwerten." Dafür ausschlaggebend seien wiederum vor allem "eigene innere Konflikte". Konkretes Beispiel: Jemand ist längere Zeit arbeitslos. Eine Partei propagiert, dass türkische Migranten Österreichern die Arbeitsplätze wegnehmen. Dadurch richtet sich die Frustration des Arbeitslosen gegen die türkische Minderheit in Österreich.

Viele Nutzer, die rassistisches Gedankengut an den Tag legen, "liken" auch Seiten mit scheinbar völlig konträren Inhalten. Beispiele dafür gibt es auf Facebook etliche: Der Wiener Facebook-Nutzer J. Meier (Anm.: Name von der Redaktion geändert) etwa hat die Seiten der deutschen rechtsextremen Kleinpartei "NPD" (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) und "Österreich hat schon genug Ausländer!! Stoppt die regelrechte Überflutung!!" mit "gefällt mir" markiert. Daneben ist er Fan des schwarzen Reggae-Musikers "Bob Marley".

Philipp sieht hier nicht unbedingt einen Widerspruch: "Identität ist heutzutage nicht mehr unbedingt homo-, sondern oft heterogen. Die scharfe Trennung zwischen links und rechts ist nicht mehr vorherrschend. Seit Beginn der Postmoderne in den 1980er Jahren ist ein Wegbrechen der ,Ismen‘ (z.B. Faschismus, Sozialismus, Patriotismus) erkennbar."

Pro-Ausländer Seiten

Nicht nur die Zahl rassistischer Facebook-Seiten steigt, sondern auch jene der Gegeninitiativen. Seiten wie "ZARA - Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit", "Heimat ohne Hass", "SOS Mitmensch" oder "SOS-Menschenrechte Österreich" propagieren Gleichberechtigung und Chancengleichheit, wenden sich gegen Diskriminierung und Rassismus.

Im kleineren Rahmen findet man auf Facebook zudem immer mehr Pro-Ausländer-Seiten, wie "Ich liebe Ausländer" oder "Hübsche Ausländer". Die meisten Seiten, in deren Namen das Wort "Ausländer" vorkommt, sind positiv konnotiert: 126 Seiten transportieren positive Inhalte, 35 neutrale und zwei negative. Hinter diesen Fan-Seiten stecken oftmals keine großen Organisationen, sondern einzelne Personen oder Personengruppen.