Eine wichtige Schraube, an der gedreht werden muss, ist die Lehre.
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Im Jahr 2014 galten in Österreich lediglich 8 Berufe als "Mangelberufe", heute sind dies bereits 66. Der Bedarf an Fachkräften liegt mittlerweile bei mehr als 220.000 - rund 70 Prozent der heimischen Unternehmen können ausgeschriebene Stellen nicht mehr mit den notwendigen Arbeitskräften besetzen. Daraus resultierender Stress in den Unternehmen führt nicht selten zu einer erheblichen Minderung der Qualität von Produkten und Dienstleistungen. Die Nichterfüllung von Aufträgen bremst das Wirtschaftswachstum aus, die eingeschränkte Innovationsleistung vermindert die internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Der oft zitierte "War for Talents" ist mittlerweile in eine veritable Fachpersonalkrise gemündet, wie sie die österreichische Volkswirtschaft noch nicht erlebt hat. Besonders betroffen davon ist die Industrie, insbesondere der Bereich Metall. Aber auch die Sparten Tourismus und Freizeitwirtschaft, Gewerbe und Handwerk sowie Transport und Verkehr haben nach den Verwerfungen durch die Corona-Pandemie nicht mehr zur benötigten Personalstärke gefunden. Geradezu händeringend werden Techniker im IT-Bereich gesucht, aber auch Arbeitskräfte im Gastgewerbe. Besonders schwer zu finden sind junge Menschen mit einer abgeschlossenen Lehre oder einem HTL-Abschluss. Stößt man dann auf den einen oder anderen Kandidaten, mangelt es oft an der fachlichen Eignung, bisweilen aber auch an der Arbeitsmotivation.
Die Folgen dieser Personalkrise sind dramatisch und werden immer noch ein wenig unterschätzt. Aufgrund der Unterbesetzung sind bereits jetzt rund 10 Prozent der Unternehmen mit Umsatzeinbußen konfrontiert, insbesondere in der Industrie, der Baubranche sowie im Gesundheits- und Tourismussektor. Reparaturen und Reklamationen aufgrund von Qualitätsmängeln häufen sich, das Management ist mit der Koordination der hybriden Arbeitswelt und der Informations- und Kommunikationstätigkeit angesichts der herrschenden Personalknappheit manchmal heillos überfordert. Zudem steigen die Kosten für die Personalbeschaffung massiv. Die Suche gestaltet sich langwierig und komplex, und am Ende stehen Gehaltsforderungen der selten gewordenen Fachkräfte, die oft kaum zu erfüllen sind.
Um dem Fachkräftemangel erfolgreich den Kampf anzusagen, wären sowohl politische als auch institutionelle Maßnahmenpakete notwendig. Eine wichtige Schraube, an der gedreht werden muss, ist die Lehre, vor allem vor dem Hintergrund der laufenden digitalen Transformation der Wirtschaft. Imagekampagnen allein werden nicht reichen, es braucht auch neue zukunftsweisende Ausbildungskonzepte und eine entsprechende Erhöhung des Entgelts bei einer Karriere nach der Lehre. Ein weiterer wichtiger Faktor ist das "Employer Branding", gepaart mit laufenden Weiterbildungsaktivitäten, einer Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und ernsthaften Initiativen für Diversity und Chancengleichheit. Firmen, die das glaubwürdig und langfristig sicherstellen, werden zur Top-Marke, verstärken die Mitarbeiterbindung, verringern die Fluktuation und verbessern ihre Aussichten am Personalmarkt.