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In seinem Urteil in der Rs. C-320/03, Kommission/Republik Österreich, stellte der EuGH gestern, Dienstag fest, dass das mit der Verordnung des Tiroler Landeshauptmanns vom 27. Mai 2003 auf der A 12 im 46 km langen "Sanierungsgebiet" zwischen den Gemeinden Kundl und Ampass verhängte Fahrverbot für schwere Lkw über 7,5 t, die bestimmte Güter (Abfälle, Getreide, Rundholz, Kork, Nichteisen- und Eisenerze, Steine, Erden, Aushub, Kfz und Anhänger sowie Baustahl) befördern ("sektorales Fahrverbot"), mit der Grundfreiheit des freien Warenverkehrs im Binnenmarkt nicht vereinbar ist.
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Damit sind die Hoffnungen Tirols zunächst zunichte gemacht, die sich aus den noch im Juli "milder" formulierten Schlussanträgen des Generalanwalts Leendert Geelhoed genährt hatten. Der Generalanwalt hatte dem EuGH zwar ebenfalls eine Verurteilung der Republik Österreich vorgeschlagen, dabei aber mehr Verständnis für verkehrsbeschränkende Maßnahmen in sensiblen Alpenkorridoren gezeigt und den Standpunkt der Kommission "wegen seiner Einseitigkeit" sogar als "kontraproduktiv" bezeichnet.
Auch stellte der Generalanwalt expressis verbis fest, dass das sektorale Fahrverbot trotz seiner unterschiedlichen Auswirkungen auf den ausländischen und österreichischen Verkehr "grundsätzlich mit Umweltschutzerwägungen gerechtfertigt werden kann". Daher kündigten sowohl Landeshauptmann Herwig van Staa als auch der für Verkehr zuständige Landesrat Hannes Gschwentner an, ein neues sektorales Fahrverbot zu konzipieren, das verstärkt auf Umweltschutzargumente eingehen und so den gemeinschaftsrechtlichen Erfordernissen eher entsprechen werde.
Für den EuGH stellt das sektorale Fahrverbot sowohl eine verbotene Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung (Art. 28 EGV) als auch eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung (Art. 29 EGV) dar. Da sich aus der Freiheit des Warenverkehrs auch ein allgemeiner Grundsatz der "Freiheit der Warendurchfuhr", wie der EuGH bereits 1983 in der Rechtssache SIOT festgestellt hatte, ergibt, hat die Republik Österreich auch diesen Grundsatz verletzt. Das sektorale Fahrverbot betrifft nämlich einen Straßenabschnitt von überragender Bedeutung, der einen der wichtigsten terrestrischen Verbindungswege zwischen Süddeutschland und Norditalien darstellt.
Eine Behinderung des freien Warenverkehrs kann an sich etwa durch zwingende Erfordernisse des Umweltschutzes gerechtfertigt sein, was Österreich aber nicht dartun konnte. Österreich war nach der Überschreitung der Jahresgrenzwerte für Stickstoffoxid in den Jahren 2002 und 2003 an der Messstelle Vomp zum Handeln verpflichtet, aber weder die in § 10 Immissionsgesetz-Luft angeführten Maßnahmen noch das sektorale Fahrverbot erfüllten alle Voraussetzungen für die Einhaltung des Grenzwertes.
Das sektorale Fahrverbot verstößt vor allem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da vor seiner Verhängung nicht geprüft wurde, ob weniger beschränkende Maßnahmen nicht denselben Effekt erreichen würden. Auch der Übergangszeitraum von nur zwei Monaten für die Vollziehung des Verbots war unverhältnismäßig kurz.