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"Fairer Anteil am Erfolg" für die Mitarbeiter

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

AK Wien warnt vor überhöhten Erwartungen.


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Wien. Der Schritt ist offenbar so ungewöhnlich, dass er zu Missverständnissen verleitet: Als die Österreichische Staatsdruckerei Holding AG (OeSD AG) sich daran machte, eine Mitarbeiterstiftung einzurichten, bekam Betriebsratschef Alfred Hahn mehr als einmal zu hören: "Was? Geht es euch so schlecht?" Der gelernte Österreicher vermutet eben zu allererst immer das Schlimmste.

Dabei trifft im Fall der OeSD das Gegenteil zu: Es geht nicht um eine Arbeits- oder Sozialstiftung, sondern um die Beteiligung der knapp 150 Mitarbeiter am Unternehmenserfolg.

Vor wenigen Tagen wurde eine Mitarbeiterstiftung angemeldet, die künftig 4,9 Prozent an der OeSD AG halten wird - was derzeit einen Wert von rund 4,2 Millionen Euro repräsentiert. Begünstigte sind die Mitarbeiter, die sich künftig auf Dividenden-Ausschüttungen freuen dürfen.

"Es geht um einen fairen Anteil am Erfolg. Für uns ist das Motiv, damit Dankeschön für die hervorragende Arbeit der letzten zehn Jahre zu sagen", erläutert Robert Schächter, Vorstandsvorsitzender und gemeinsam mit Johannes Strohmayer Kernaktionär, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Er streut seiner Belegschaft Rosen - und erwartet nicht mehr oder weniger, als dass sie die gute Arbeit mit unverändertem Einsatz fortsetzt. Zugleich sei die Einrichtung der Stiftung auch ein dauerhaftes Bekenntnis zum Unternehmensstandort Österreich.

"Das ist weder alltäglich noch selbstverständlich", sagt Belegschaftsvertreter Alfred Hahn. Die Mitarbeiter müssen bei der Staatsdruckerei nämlich weder einen finanziellen Eigenbeitrag leisten noch Einbußen im Einkommen oder bei sonstigen Begünstigungen hinnehmen.

Durch die Stiftungslösung tragen die Mitarbeiter zudem kein Risiko. "Mir war wichtig, dass die Mitarbeiter kein privates Vermögen ablegen müssen", sagt Hahn, der seit 42 Jahren bei der Staatsdruckerei arbeitet. Die Zustimmung fiel ihm deshalb leicht. "Hätte die Dividende einen Teil des Fixgehalts ersetzt, wäre ich dagegen gewesen."

Wenig Fluktuation ist Vorteil

Vorstandschef und Miteigentümer Schächter nennt immaterielle Beweggründe, welche zu der Vermögensübertragung geführt haben. "Wir sind im Identitätsmanagement tätig, dieser Bereich erfordert ein hohes Maß an technologischer Innovation und Know-how." Eine hohe Bindung der Mitarbeiter ist deshalb ein Wettbewerbsvorteil. "Es ist heute nicht so, dass sich zehn hochqualifizierte Spezialisten bei einem Unternehmen bewerben, sondern dass zehn Unternehmen sich um diesen einen Mitarbeiter bemühen."

Die Variante der Stiftung hat für die Mitarbeiter den Vorteil, dass für die Ausschüttung (bis zu einer gewissen Schwelle) nur die Kapitalertragssteuer von 25 Prozent anfällt. Schächter betont, dass die Dividende anteilig pro Kopf ausgezahlt wird und nicht etwa aliquot zum Einkommen. Geringverdiener profitieren relativ betrachtet stärker. Die Ausschüttung gilt für alle Mitarbeiter, die mindestens zwei Jahre im Unternehmen sind.

Die hohe Akzeptanz seitens der Arbeitnehmer signalisiert auch die Zusammensetzung des Stiftungsvorstandes: Neben Finanzchef Helmut Lackner (Vorsitz) und Betriebsrat Hahn ist auf dessen Wunsch auch Gewerkschaftschef Wolfgang Katzian vertreten. Und das, obwohl sich die Gewerkschaft in der Vergangenheit wiederholt kritisch zur Mitarbeiterbeteiligung geäußert hat. "Wir sind nie grundsätzlich dagegen gewesen", stellt Katzian klar, "sondern nur gegen das, was teilweise unter diesem Schlagwort präsentiert wurde. Eine Mitarbeiterbeteiligung ohne Mitbestimmung und Gestaltungsmöglichkeit ist für uns keine."

Bei den ersten Stiftungen wie bei der Voest oder am Flughafen Wien standen nicht die Ausschüttungen im Vordergrund, sondern die Sicherung der Arbeitsplätze: "Die Mitarbeiter sollten über die Betriebsräte einen Fuß in der Eigentümerstruktur haben und damit einen Beitrag leisten, um den Standort langfristig abzusichern. Dagegen hatten wir natürlich nie etwas: Wir wollen als Gewerkschaften die Kuh melken - und sie nicht erschlagen."

Inakzeptabel seien für die Gewerkschaft hingegen Beteiligungen, die den Unternehmenserfolg an Parametern orientieren, welche die Belegschaft nicht mitentscheiden oder beeinflussen kann. Solange es Branchenkollektivverträge gibt, sieht Katzian nicht die Gefahr, dass Beteiligungsmodelle die Lohnstrukturen untergraben. Gäbe es diese nicht, wäre diese Sorge berechtigt. Eine generelle Empfehlung für Mitarbeiterbeteiligungen könne er nicht geben, so Katzian: "All diese Modelle haben gemeinsam, dass sie nichts gemeinsam haben."

Absicherung vor Übernahme

Das betont auch Heinz Leitsmüller von der Arbeiterkammer (AK) Wien. Er unterscheidet zwei grundsätzliche Varianten: Die Zahl der Mitarbeiter, die am Kapital beteiligt sind, schätzt die AK auf 150.000 bis 160.000 - primär bei börsenotierten Unternehmen wie Voest oder Flughafen Wien. Reine Gewinnbeteiligungen sind häufiger zu finden. "Wir schätzen, dass 30 Prozent der Mitarbeiter in irgendeiner Form über Prämienmodelle am Unternehmenserfolg partizipieren", sagt Leitsmüller. Schließlich seien sogar in einigen Kollektivvertrags-Abschlüssen der jüngeren Zeit (Metaller, Elektroindustrie) gewinnabhängige Prämien inkludiert.

Ebenso differenziert wie die Modelle fällt auch das AK-Urteil aus: "Eher problematisch ist aus unserer Sicht, wenn ein Unternehmerrisiko auf den Mitarbeiter abgewälzt wird, weil dieser in der Regel keine wirklichen Entscheidungen treffen kann." Heikel sei es zudem, wenn die Erfolgsbeteiligung in den Lohnverhandlungen gegengerechnet wird. "Die Folge wäre, dass die nachhaltigen Lohnsteigerungen geringer ausfallen - womit das Lebenseinkommen sinkt." Die Erwartungen, die in puncto Motivation und Produktivitätssteigerung gesetzt werden, hält Leitsmüller vielfach für überzogen: "Das ist eher Wunsch als Praxis. Sonst müsste die Motivation jetzt mit dem Aktienkurs am Boden sein, was auch nicht der Fall ist." Eine Erfolgsbeteiligung sollte nur als ein Baustein des Personalwesens gesehen werden - neben Arbeitszeit, Einkommen, Unternehmenskultur.

Mitarbeiterstiftungen hingegen erfüllten in den meisten Fällen einen anderen Zweck - den Schutz vor feindlichen Übernahmen. Dazu sei es sinnvoll, wenn die Stimmrechte der Belegschaft gebündelt sind, so Leitsmüller. Eine Möglichkeit ist, dass die Stimmenanteile mit anderen Aktionären syndiziert werden. Ansonsten müsse das Ziel sein, mit der Mitarbeiterstiftung über 10 Prozent zu kommen - bei der Voest sei das exemplarisch gelungen.

OeSD-Exporte bei 20 Prozent

Mit einem Streubesitz unter einem Prozent ist die Gefahr einer feindlichen Übernahme für die OeSD AG in weiter Ferne. Sie hat aber einen weiten Weg vom alten Staatsbetrieb zurückgelegt - mit dem Börsegang im November 2011 ist eine neue Ära angebrochen. Das Unternehmen wollte nicht - wie andere - erst Investorengeld einsammeln und dann entscheiden, was damit geschehen soll. Man gehe bewusst den umgekehrten Weg, sagt Schächter: "Ich halte das für fairer. Wir haben uns den Kapitalmarktregeln unterworfen, um uns dem Markt zu präsentieren. Derzeit gibt es noch keinen Anlass für eine Kapitalerhöhung, aber wir wollten mit dem Börsegang vor einem halben Jahr dafür vorbereitet sein."

Die Staatsdruckerei wird im laufenden Geschäftsjahr (per Ende März) mit mehr als 40 Millionen Euro den Vorjahresumsatz übertreffen. Mit dem Ergebnis ist Schächter "zufrieden", es habe im letzten Quartal keine negative Überraschung gegeben. Die Staatsdruckerei-Gruppe hat mittlerweile Kunden in 62 Ländern - von Liechtenstein über die Malediven bis Ghana. Die Exportquote wird heuer über 20 Prozent klettern - im Vorjahr waren es noch 15 Prozent. Auf längere Sicht erwartet Schächter, dass sich In- und Auslandsgeschäft sogar die Waage halten.

Traditionell stark vertreten ist die Staatsdruckerei am Balkan. Im Vorjahr konnte ein umfassender Auftrag im Kosovo an Land gezogen werden, wo das gesamte Reisepass-System entwickelt wurde. Das inkludiert Verwaltungs-Know-how ebenso wie Datensicherheit oder die Beratung über die passenden Maschinen. Ein hoffnungsvoller Wachstumsmarkt ist Zentralasien: Wo immer mehr Leute reisen können und dürfen, steige der Bedarf an Personaldokumentation. Ein starkes Standbein seien die arabischen Länder, wo sich momentan "das eine oder andere" anbahne.

Das klassische Druckgeschäft mit Briefmarken oder Gutscheinen nimmt einen immer kleineren Anteil ein. Hingegen ist intelligentes "Identitätsmanagement" gefragt: Mittlerweile enthalte jeder neue Reisepass elektronische Elemente bis hin zu RFID-Funkchips. Das Ende sei lange nicht erreicht, sagt Schächter: "Wir werden uns darauf vorbereiten müssen, Identität ganz ohne Dokumente, rein elektronisch, abzubilden."