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Fairness im Wettkampf -und bei der Arbeit

Von Christine Zeiner

Wirtschaft

Die Fußball-Europameisterschaft und die Olympischen Spiele bescheren den internationalen Sportartikelherstellern dieses Jahr ein milliardenschweres Umsatzplus. Die NäherInnen in Billiglohnländern haben davon nichts. Die Clean-Clothes-Kampagne fordert das Internationale Olympische Komitee daher auf, Verantwortung für die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung der Sportbekleidung für die Athleten zu übernehmen.


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Weit weg vom Jubel und den Medienberichten über die Sportereignisse stellen meist Frauen und meist in Asien Sportschuhe und -bekleidung her. "In der Hochsaison arbeiten wir 13 bis 14 Stunden pro Tag. Wir nähen ununterbrochen, bis unsere Arme schmerzen und steif werden", berichtet eine 21-jährige Näherin einer Sportartikelfabrik in Indonesien. Frauen wie sie arbeiten für große Unternehmen wie Adidas, Reebok und Nike, die viele ihrer Produkte von Zulieferbetrieben in Billiglohnländern herstellen lassen. Die dortigen Arbeitsbedingungen könnten sie nicht beeinflussen, heißt es dann.

Die Clean-Clothes-Kampagne (CCK) interviewte Arbeiterinnen und Arbeiter in Thailand, Indonesien, Kambodscha, China, der Türkei und Bulgarien - und hörte immer wieder ähnliche Berichte. Übermäßig lange Arbeitszeiten, verpflichtende Überstunden, mangelnde Arbeitsplatz- und Lohnsicherheit, Hungerlöhne, die Vorenthaltung des Rechts, sich gewerkschaftlich zu organisieren, schlechte gesundheitliche Bedingungen und Erschöpfung bestimmen den Arbeitsalltag. Eine Arbeitszeit von zehn bis zwölf Stunden pro Tag ist üblich. Rücken Liefertermine näher, verlängert der Fabrikmanager die Arbeitszeit auf bis zu 18 Stunden - häufig bei einer Sieben-Tage-Woche. Die Beschäftigten der Zulieferbetrieben erhalten oft keine regulären Arbeitsverträge. So haben sie keine Möglichkeit, gegen Verstöße gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen zu Mindestlöhnen oder Arbeitszeiten vorzugehen.

"Wir werden oft beleidigt. Die Manager beschimpfen uns ständig, während wir arbeiten. Sie nennen uns 'dumm', 'faul', 'nutzlos' und 'Bastarde'", schildert eine Textilarbeiterin der indonesischen Fabrik PT Busana Prima Global. Auch wenn sie noch so erschöpft sind, können sie keine Überstunden ablehnen, weil der Grundlohn kaum zum Überleben ausreicht, erzählt sie. "Manchmal würden wir uns gern ausruhen, aber unser Arbeitgeber zwingt uns zu arbeiten."

Dabei ist die Übernahme von sozialer Verantwortung durch Unternehmen derzeit "in" und Konzerne lassen keine Chance verstreichen, von ihren Sozial- und Umweltaktivitäten zu sprechen.

Formale Fortschritte

"Die Branchenführer wie Adidas, Reebok und Nike haben formal schon einiges getan", sagt Stefan Kerl von der CCK im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Es gebe "relativ vollständige" Verhaltenskodizes, die sich an jenem der CCK orientieren. "Ein Problem ist, dass interne Kontrollen der Vorgaben ohne unabhängige Instanz nicht wirklich funktionieren", erläutert Kerl. Und: In einer Fabrik werden häufig Schuhe mehrerer Unternehmen produziert - Adidas neben Fila, Puma und einem No-Name-Produkt.

Jedes der größeren Unternehmen hat einen eigenenen Kodex, die kleineren vielfach noch keinen. Ein Betrieb müsste demnach unterschiedliche bzw. gar keine Vorgaben umsetzen. "Haben sich alle zu einem Standard bekannt, könnte ein einheitlicher geschaffen werden", meint Kerl. Dafür müssten auch die mittleren und kleineren Unternehmen mitziehen. Puma, Asics, Mizuno, Fila, Lotto und Umbro arbeiten bereits an derartigen Richtlinien.

"Das hat die internationale Kampagne 'Play fair at the Olympics!' erreicht", berichtet Kerl. Die Kampagne startete am 4. März. Seither haben in Österreich 12.400, weltweit mehr als 1,5 Millionen Menschen die Petition unterschrieben. Die Sportartikelunternehmen werden aufgefordert, sich an faire Arbeitsbedingungen zu halten. Vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wird verlangt, Verantwortung für die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung der Sportbekleidung für die Athleten und der Fan-Produkte zu übernehmen.

"Das IOC als Verwalter des Olympialogos könnte etwas tun", ist Kerl überzeugt. Illusorisch sei natürlich, mit der im März gestarteten Kampagne faire Sportbekleidung bei den Olympischen Spielen im August zu erreichen. "Unser Ziel ist unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellte Sportbekleidung bei Olymia 2008 in Peking. Dafür fordern wir eine Absichtserklärung".

Das Europäische Parlament hat bereits im April dieses Jahres eine Resolution verabschiedet, wonach die Standards der International Labour Organization der Vereinten Nationen in der Sportartikelproduktion verankert werden sollen. "Nicht mehr als eine Absichtserklärung, aber immerhin. Das österreichische Parlament hat das nicht getan", kommentiert Kerl. Karl Schweitzer, Staatssekretär für Sport, war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. "Das Parlament hätte das Österreichische Olympische Komitee ÖOC auffordern können, im IOC aktiv zu werden", meint Kerl. Das australische Komitee hat vor vier Jahren einen Kodex erstellt - ein Versuch, der real wenig geändert habe, aber ein Anfang.

"Das kann nicht das entscheidende Thema der Olympischen Spiele sein", erklärt ÖOC-Präsident Leo Wallner. Der CCK stehe er "sehr positiv" gegenüber. "Ich unterstütze die Forderung, dass nicht dort eingekauft werden soll, wo die Arbeitsbedingungen nicht stimmen." Eine Firma könne allerdings nicht gezwungen werden, nur bei jenen Zulieferbetrieben einzukaufen, die sich an einen Kodex halten. "Wir werden die Sache aber im IOC zur Sprache bringen", hält Wallner fest. Sollte es einen Kodex geben, dann könnten auch nur Sport-Fachverbände, nicht aber Unternehmen sanktioniert werden.

Konsumenten gefragt

Seit Anfang des Jahres sind Fußbälle mit dem Fair Trade-Gütezeichen in den Fachgeschäften für den alternativen und fairen Handel erhältlich. Sie werden in Produktionsbetrieben hergestellt, die den Arbeiterinnen und Arbeitern weit höhere Löhne zahlen als landesüblich, so dass deren Kinder nicht gezwungen sind, für das Familieneinkommen mitzuarbeiten.

Faire Sportschuhe gibt es hingegen nicht. "Wollen wir mit gutem Gewissen laufen, müssen wir es barfuß tun". Alternativen gibt es kaum, bedauert Kerl. Konsumentinnen und Konsumenten bleibt im Sinne der Schadensbegrenzung nur der Weg, sich genau zu informieren, "welches Unternehmen das am wenigsten schlechte" ist. Für die Recherche empfiehlt sich dafür in erster Linie das Internet.

Das Monatsmagazin "Konsument" des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) hat im vergangenen Jahr einen Ethik-Sportschuh-Test veröffentlicht. Aktuelle Informationen und Eilaktionen sind auf der CCK-Homepage zu finden. Und - wie bereits erwähnt - publizieren Sportartikelkonzerne ihre jeweiligen "Erfolge" gern im Internet. Auf Unternehmen, die Markenware produzieren, kann mehr Druck gemacht werden, als auf jene, die No-Name-Artikel herstellen, denn, sagt Kerl: "Marken haben Milliarden in ihren Imageaufbau investiert. Die haben etwas zu verlieren".

http://www.konsument.at