Warum eine Fairtrade-Zertifizierung auch in Zeiten fallender Preise nicht zum Nachteil der Konsumenten ist.
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Im Artikel "Der globale Handel mit Kaffee" stellt die Autorin die These auf, eine Fairtrade-Zertifizierung sei zum Nachteil der Konsumenten, weil in Zeiten fallender Preise nur minderwertige Qualität mit Zertifizierung verkauft würde. Diese Hypothese mag auf den ersten Blick plausibel klingen, ist aber grundlegend falsch. Gerade in Zeiten fallender Preise ist es für Kooperativen interessant, einen möglichst hohen Anteil ihrer Produktion zu den von Fairtrade definierten Mindestpreisen zu verkaufen. Wer dann minderwertige Qualität anbietet, wird keinen Abnehmer für seine Ware finden. Denn die Kaffeeröster haben selbstverständlich die Wahl bei welcher Kooperative sie kaufen.
Fairtrade-Kaffees unterliegen wie alle anderen Produkte den Marktmechanismen, indem sie sich täglich über den guten Geschmack auf dem Markt beweisen müssen. Fairtrade-Kaffees durchlaufen dasselbe Qualitätsmanagement und Konsumenten honorieren diese Vielfalt durch eine vermehrte Nachfrage. Ein unmittelbarer Vergleich von Fairtrade mit hochqualitativem Spezialitätenkaffee hinkt jedoch, weil sehr hochpreisige Spezialitätenkaffees nur eine winzige Nische ansprechen. Leider ist nur eine kleine Minderheit an Kaffee-Enthusiasten bereit, deutlich mehr als 50 Euro für 1 Kilo Kaffee zu bezahlen. Oftmals sind es vertragliche Einzelvereinbarungen zwischen Kaffeeröstern und Kaffeebauern und -bäuerinnen oder Plantagen, die hinter Spezialitätenkaffee stehen. Natürlich braucht es in diesem (sehr kleinen) Spezialsegment keine Schutzbestimmungen für die Kaffeebauernfamilien, denn es handelt sich um einen Anbietermarkt.
Fairtrade ist dagegen eine Bewegung, die auf den Gesamtmarkt fokussiert. Es beruht auf international gültigen Standards, die soziale, ökologische und ökonomische Kriterien umfassen. So stammt Kaffee mit dem Fairtrade-Siegel immer von Kleinbauernorganisationen und ist physisch rückverfolgbar. Die Organisationsstrukturen von Kaffeekleinbauern (keine Kaffeeplantagen) und ihre Position im Welthandel werden durch den Verbund in Kooperativen, durch Schulungen und Beratung vor Ort und durch die Standards, stabile (Mindest)-Preise und zusätzlichen Fairtrade-Prämien für Sozial- und Gemeinschaftsprojekte gestärkt. Nicht zuletzt sind die Produzentenorganisationen gleichberechtigte Miteigentümer und aktive Gestalter der Fairtrade-Bewegung, die sich in ihrem Sinne weiter entwickelt. Die positive Wirkung des Fairen Handels ist vielfach belegt.
Die Autorin spricht im Artikel auch die Fairtrade-Zertifizierungsgebühren an, die von den Produzentengruppen getragen werden müssen. Dazu: Fairtrade‐Produzentenorganisationen haben weltweit im Jahr 2015 ergänzend zum Verkaufspreis für ihre Rohstoffe und Produkte rund 138 Millionen Euro an Fairtrade-Prämie für die sieben wichtigsten Fairtrade‐Produkte und 148 Millionen Euro über alle Produktkategorien erhalten. Die Gesamtgebühren für die Zertifizierung betrugen im selben Zeitraum 4,14 Millionen Euro – im Vergleich zu den Vorteilen, die sich alleine aus den Fairtrade‐Prämiengeldern ergeben, ist das also ein kleiner Bruchteil (weniger als 3 Prozent). Die Kosten der Zertifizierung variieren je nach Größe der Produzentenorganisationen. Die kleinsten Kooperative im Fairtrade-System zählen nur wenige Mitglieder, die größten mehrere Zehntausend. Der Zeitaufwand für die Kontrollen ist sehr unterschiedlich und abhängig von der Größe der Bauern-Kooperative, des Gebietes in dem die Kooperativenmitglieder leben, der Organisationsstruktur und der Anzahl der unterschiedlichen Produkte, die zertifiziert werden sollen.