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Fakten schaffen

Von red/reu

Politik

Frankreich und Großbritannien erwägen Truppeneinsatz in Syrien, Russland aber engagiert sich für Syriens Machthaber.


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Moskau/Damaskus. Der syrische Machthaber Bashar al-Assad war bisher nicht bekannt dafür, öffentlich die Schwäche seines Regimes einzugestehen. Umso erstaunlicher war seine Rede, die kürzlich im syrischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde. Ja, räumte der Präsident ein, das Militär habe Schwierigkeiten, neue Soldaten zu rekrutieren. Aber nein, das bedeute nicht, dass die Armee vor dem Kollaps stehe.

Nach mehr als vier Jahren Bürgerkrieg zeigt sich Assads Militär mehr und mehr ausgelaugt. Immer wieder tauchen Meldungen auf, wonach sich Syrer weigern, in der Armee zu dienen. Fast alle wichtigen Schlachten der vergangenen Monate haben die Anhänger des Regimes verloren - im Osten des Landes gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), im Norden gegen ein Bündnis verschiedener Rebellengruppen. Nun verlor die Armee den letzten verbliebenen Stützpunkt in der Provinz Idlib im Landesinneren.

Trotzdem zeichnet sich ein Ende der Regierung in Damaskus bisher nicht ab. Auch wenn Assad die Macht über große Teile des Landes verloren haben mag, kontrollieren seine Anhänger noch immer wichtige Städte wie Damaskus, Hama, Homs oder große Teile Aleppos. Dass Bashar al-Assads Regime bisher nicht gestürzt ist, hat er seinen mächtigen Verbündeten zu verdanken. Russland und der Iran tun alles, um den Zusammenbruch des Regimes zu verhindern.

Wenn Syrien zerfällt

Die Führung in Moskau werde zusätzliche Militärmaßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus erwägen, wenn sie diese für nötig halte, erklärt das russische Außenministerium kryptisch. Der russische Blogger Ruslan Lewijew will auf sozialen Netzwerken Angehörige russischer Streitkräfte ausfindig ausgemacht haben. Das hieße, Moskau habe Bodentruppen nach Syrien entsandt, berichtet "Spiegel Online". Demnach wolle Russland Syrien helfen, die Küstenstadt Latakia gegen Rebelen abzusichern. Denn die mit der Terrororganisation Al-Kaida verbündete Nusra-Front nähert sich immer mehr dem Küstenstreifen, der bisher von den Regimetreuen gehalten wird. Dort lebt die Mehrheit der Alawiten, sie sind Mitglieder jener Religionsgemeinschaft, der auch Assad angehört.

Dem Vernehmen nach soll der Küstenstreifen die Machtbasis für Assads künftigen Staat bilden, wenn Syrien offiziell zerfällt. Russland unterhält in Tartus eine Marinebasis - seine einzige im Mittelmeer - und hat dementsprechend großes Interesse, seinen Einflussbereich nicht zu verlieren. Angesichts der Überlegungen von Großbritannien und Frankreich, militärisch stärker in den syrischen Bürgerkrieg einzugreifen, könnte Russland nun Fakten schaffen wollen; die Kontrolle der wichtigen Städte inklusive. Für eine vom Westen geführte Koalition gegen den Islamischen Staat blieben nach einem - alles andere als einfachen Sieg gegen den IS - somit in erster Linie die "Brotkrümel" in Form von Wüstenterritorium übrig.

Fix ist die Koalition der Europäer gegen den IS aber nicht. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnt eindringlich davor: Die Atom-Einigung mit dem Iran und die neue Initiative der UNO böten erstmals Ansatzpunkte für eine politische Lösung des Konflikts in Syrien, sagte Steinmeier am Mittwoch.

Das Regime in Teheran unterstützt Assad mit Öllieferungen, Milliardenkrediten und militärischer Hilfe. An der Seite des Regimes kämpft in Syrien vor allem die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, die mit Geldern aus dem Iran finanziert wird. Kritiker des Atomabkommens mit dem Iran befürchten hingegen, dass Teheran seine Unterstützung für Assad mit den zu erwartenden Mehreinnahmen aus dem Ölverkauf verstärken wird.

Beigelegt werden kann der Konflikt womöglich nur durch Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition. UNO-Sondervermittler Staffan des Mistura hofft, dass sich neben den USA und Russland auch der Iran und Saudi-Arabien - das Assads Sturz will - annähern: "Der Sauerstoff, der den Konflikt am Leben hält, würde dann verschwinden."