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Faktencheck: Wer grün wählt, wählt 100.000 green Jobs?

Von Clemens Neuhold

Politik

Nach der ÖVP greifen nun auch die Grünen tief in die Zahlen-Wunderkiste.


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Wien. Spätestens seit Mittwoch müssten alle anderen Parteien vor einer schwarz-grünen Koalition zittern. Denn nach der ÖVP versprechen nun auch die Grünen ein wahres Jobwunder.

Propagiert die ÖVP 420.000 Jobs bis 2025, versprechen die Grünen nun 100.000 neue "green" Jobs bis 2020. Wer kann da angesichts von 300.000 Arbeitsloser im Herbst Nein sagen zu 520.000 schwarz-grünen Jobs?

Blöd nur, dass die grüne Zahl ein ähnlicher Wahlkampf-Schmäh ist wie alle die anderen wunderbar runden Jobzahlen. Warum?

"Neu"-Sprech: Bei den "neuen" Jobs handelt es sich meist um - im besten Fall - gesicherte Jobs. Denn alles andere unterstellt, dass die Menschen ohne "green jobs" nichts arbeiten. Eine Öko-Wende kann natürlich auch zusätzliche Jobs schaffen. Aber für 100.000 müsste das Wirtschaftswachstum dadurch enorm anspringen. Dass auch "gesicherte" Jobs gezählt sind, findet man in Studien oft in Fußnoten.

Jobs auf Pump: Wenn Politiker sagen, sie "schaffen" Jobs, meinen sie meistens, sie nehmen Steuergeld in die Hand und stecken es in diese oder jene Maßnahme - im Fall der Grünen eine Förderung zur Sanierung von Häusern oder von Ökostrom. Das Geld fehlt dann aber woanders. Es könnte damit ja auch ein Kohlekraftwerk gefördert, ein AKW oder ein neuer Kindergarten gebaut werden - alles schafft Jobs. Der Trick: In Studien wird oft darauf hingewiesen, dass eine "Alternativmittelverwendung" nicht berücksichtigt wurde.

Und: Kommt Fördergeld aus neuen Schulden, droht ein Sparpaket. Das kann die Wirtschaft dämpfen und Jobs kosten.

Quellenmix:Die 100.000 neuen Jobs der Grünen ergeben sich nach deren Angaben aus einer Addition aus sechs verschiedenen Studien zu sechs verwandten Öko-Themen. So ein Mix ist aber wissenschaftlich nicht haltbar. Denn diese verwandten Maßnahmen für die Ökowende greifen natürlich ineinander. Ein Beispiel: 25.000 Jobs sollen aus einer Ökosteuerreform kommen, 36.000 aus einer Offensive für energieeffiziente Gebäude, sprich verstärkter Häusersanierung. Jetzt würde aber schon die Ökosteuerreform die Sanierung attraktiver machen. Dann muss man aber die dadurch ausgelösten Jobs im Bau von den 36.000 angeblichen Jobs aus der Sanierungsoffensive abziehen.

Mitnahmeeffekte: Generell halten es Experten für fast unmöglich, ein Modell zu rechnen, ohne den konkreten Umsetzungsplan zu kennen. Man muss genau wissen, was ohne eine Maßnahme passiert wäre, um Effekte zu berechnen. Wer weiß, ob die Menschen nur saniert hätten, wenn es die entsprechende Förderung gibt? Hätten Sie trotzdem saniert, nennt man das in der Volkswirtschaft "Mitnahmeeffekte" - Jobeffekt null.

Bleibt der Weltmarkt (Energiepreise, EU-Politik) als riesige Unsicherheit für jede Langzeit-Prognose im Inland.

P.S.: Die 100.000 Jobs wären laut Twitteruser @MarioGrabner übrigens 39 pro Tag.