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Washington - Um den 8. Mai herum erfuhr US-Präsident George W. Bush, dass der mutmaßliche Terrorist Jose Padilla, alias Abdullah al Muhajir, bei der Einreise in die USA festgenommen worden war. Erst am 10. Juni jedoch schreckte die US-Regierung die Bevölkerung mit der Mitteilung auf, Padilla habe Pläne für einen Anschlag mit einer radioaktiven "schmutzigen Bombe" geschmiedet.
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Die Furcht vor der beängstigenden Waffe mischte sich mit Erleichterung, dass die in den letzten Wochen mit heftigen Rügen überschütteten Terroristenfahnder gut aufgepasst und ein Attentat im Frühstadium vereitelt hatten.
Am selben Tag empfing Bush führende Kongress-Politiker, um seinen Plänen für ein "Superministerium" zum "Schutz der Heimat" mit 169 000 Mitarbeitern und einem Jahresetat von 37 Milliarden Dollar (39 Milliarden Euro) Nachdruck zu verleihen. Am Dienstag ging er auf Werbetour für die größte Regierungsreform seit 50 Jahren, um sie möglichst noch bis zum 11. September unter Dach und Fach zu bringen.
Zufall oder kluge Regie? Bush-Sprecher Ari Fleischer betonte, dass es keinen Zusammenhang gebe und die brisanten Einzelheiten der Padilla-Pläne erst nach und nach ermittelt worden seien. Die demokratische Kongress-Abgeordnete Eleanor Holmes Norton aus Washington vermutete dagegen, dass die Festnahme "jetzt bekannt gemacht wurde, um die Fähigkeit der Regierung zu demonstrieren, Terrorismus zu verhindern und vielleicht die Anhörungen und Diskussionen über die Bewilligung von Geldern im Kongress zu beeinflussen".
In ihrem "Krieg gegen den Terrorismus" war die Bush-Regierung an der Heimatfront zusehends in die Defensive gedrängt worden. Dem Geheimdienst CIA und dem Bundeskriminalamt FBI wurde angelastet, Hinweise auf die Anschläge am 11. September verschlafen zu haben. Mehrere Untersuchungen laufen im Parlament.
FBI-Chef Robert Mueller kündigte eine umfassende Reform des Bundeskriminalamts an, und Bush zog nach Beratungen unter höchster Geheimhaltung das Konzept für die Mammutbehörde aus dem Ärmel. Der Kolumnist Gary Anderson bescheinigte dem Präsidenten in der konservativen "Washington Times" "ein hervorragendes politisches Manöver".
Was immer hinter der Zeitwahl steckte, die Bekanntgabe erreichte nach Auffassung von US-Zeitungen ihren Zweck, die Amerikaner auf die unveränderte Terrorgefahr hinzuweisen. "Die Muhajir-Festnahme ist bloß das letzte Zeichen, dass Amerika nicht in seiner Wachsamkeit nachlassen kann", schrieb die "Los Angeles Times". Die "New York Times" analysierte: "Die Enthüllung könnte sehr wohl die Amerikaner erneut hinter dem Präsidenten und der Annahme sammeln, dass das Land sich weiter im Krieg befindet." Sie könnte auch der schärfer werdenden Kritik aus dem liberalen Lager an rechtlich umstrittenen Inhaftierungen und an der geplanten Ausdehnung staatlicher Überwachung die Spitze nehmen.
In einer Dienstag veröffentlichten Umfrage der "Washington Post" gaben 77 Prozent ihrem Präsidenten gute Noten für seine Amtsführung. 69 Prozent befürworteten das geplante Superministerium, 64 Prozent die erweiterten FBI-Befugnisse zur Überwachung öffentlicher Plätze.