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Fall Politkowskaja: Neue Ermittlungen angeordnet

Von WZ Online

Politik

Moskau. (APA) Nach dem Freispruch aller Angeklagten im Prozess um den Mord an der regierungskritischen Journalistin Anna Politkowskaja hat die russische Justiz eine Wiederaufnahme der Ermittlungen angeordnet. Dies berichteten russische Nachrichtenagenturen am Freitag. Am Vortag waren vier Angeklagte vor einem Moskauer Gericht freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft legte daraufhin Berufung ein.


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Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 im Treppenhaus ihres Moskauer Wohnhauses erschossen worden. Die Journalistin gehörte zu den wenigen in Russland, die über den Feldzug der russischen Truppen in Tschetschenien kritisch berichtet und schwere Menschenrechtsverletzungen angeprangert hatten. Die Hintergründe des Mordes sind nicht geklärt.

Freigesprochen wurden die tschetschenischen Brüder Ibrahim und Dschabrail Machmudow, die Politkowskaja beschattet und den mutmaßlichen Mörder zum Tatort gefahren haben sollen. Bei dem Todesschützen soll es sich um ihren Bruder Rustam Machmudow handeln, der in Westeuropa untergetaucht sein soll.

Bei dem dritten, ebenfalls freigesprochenen Angeklagten handelt es sich um den ehemaligen Polizisten Sergej Chadschikurbanow, der bei dem Verbrechen logistische Hilfe geleistet haben soll. Freigesprochen wurde auch Pawel Riagusow, ein ehemaliger Agent des Inlandsgeheimdienstes FSB, der nicht wegen Beteiligung an dem Mord angeklagt war, sondern wegen Erpressung und Amtsmissbrauchs im weiteren Zusammenhang mit der Tat.

Während des Zerfalls der Sowjetunion formierte sich in Tschetschenien eine Unabhängigkeitsbewegung, die ihren Höhepunkt im Ersten Tschetschenien-Krieg (1994-96) erreichte. Schätzungen zufolge kamen damals 100.000 Menschen ums Leben. 1999 lehnten sich tschetschenische Rebellen erneut gegen Moskau auf, doch wurde ihr Kampf vom damaligen russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin innerhalb weniger Wochen mit eiserner Hand niedergeschlagen. Seitdem ist die Lage in Tschetschenien vergleichsweise ruhig.

Seit 2000 sind 16 Journalisten in Russland ermordet worden, meist auf eine Art und Weise, die auf einen Auftragsmord hindeutete, zuletzt am 19. Jänner die Reporterin Anastasia Baburowa zusammen mit einem Menschenrechtsanwalt. Unter Putin, der vor acht Jahren Präsident wurde und jetzt wieder Ministerpräsident ist, wurden die Fernsehnetzwerke vom Staat übernommen und deren Nachrichten auf Regierungslinie gebracht. Von den vielen unabhängigen Zeitungen, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre entstanden, gibt es heute nur mehr wenige. Große Zeitungen sind in der Tendenz Kreml-freundlich oder im Besitz von Unternehmen, die mit dem Kreml verbunden sind. (APA)