Die Prävention der Korruption wirft Fragen auf. | Grenzfall: Wann gelten Einladungen als Bestechung? | Wien. Die seit Jänner 2008 geltenden Antikorruptions- und verschärften Bestimmungen zur Beamtenbestechung im Strafgesetzbuch (StGB) sind teilweise unklar gefasst und können zur Falle für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder werden.
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Nach den neuen "Privatkorruptionsbestimmungen" macht sich ein Bediensteter oder Beauftragter eines Unternehmens strafbar, wenn er im geschäftlichen Verkehr für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung einer Rechtshandlung von einem anderen für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt.
Ein Bediensteter oder Beauftragter ist jemand, der in einem Unternehmen im privaten Sektor eine leitende Stellung einnimmt. Die Zuwendung muss "im geschäftlichen Verkehr" erfolgen, also bei jeder unternehmensbezogenen Handlung. Der Täter muss von einem anderen für sich oder einen Dritten einen Vorteil für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung einer Rechtshandlung fordern, annehmen oder sich versprechen lassen (oder selbst versprechen oder gewähren). Solange nicht die Absicht verfolgt wird, zu einem pflichtwidrigen Verhalten zu verleiten, sind Geschenke unbedenklich.
Nur geringfügige Geschenke sind von der Strafbarkeit ausgenommen. Wo diese Geringfügigkeitsgrenze aber exakt anzusetzen ist, hat der Gesetzgeber offen gelassen.
100-Euro-Daumenregel
Es wird manchmal eine Grenze von 100 Euro genannt, diese ist aber weder gesetzlich noch durch die Rechtsprechung vorgegeben. Ein teures Abendessen, das etwa 300 Euro pro Person kostet, wird wahrscheinlich darüber liegen, das Abendessen um 50 Euro pro Person eher darunter. Je nach Fall müssen die konkreten Begleitumstände überprüft werden.
Auch die Bestechungsdelikte wurden teilweise neu geregelt. Der Begriff des "Beamten" wurde durch den nun viel weiteren Begriff des "Amtsträgers" ersetzt.
Zentral bei der Neuregelung ist: Als Tathandlung gilt das Fordern, das Sich-Versprechen-Lassen oder auch das bloße Annehmen eines Vorteils für eine Handlung oder Unterlassung "im Zusammenhang" mit der Amtsführung. Aber auch das vorsorgliche Fordern, Annehmen und Sich-Versprechen-Lassen eines Vorteils im Hinblick auf die Amtsführung ist strafbar, ohne dass eine konkrete rechtswidrige Handlung angestrebt sein muss ("für den Fall, dass man einen wohlgesonnenen Beamten brauchen könnte", auch ohne konkretes Verfahren; auch "Anfüttern" genannt). Bei den Bestechungsdelikten gibt es ebenso eine Geringfügigkeitsgrenze, allerdings nur beim "Anfüttern". Geschenke im Zusammenhang mit einem konkret anhängigen Verfahren führen stets zur Strafbarkeit.
Tod dem Think-Tank?
Die neuen Bestimmungen reichen sehr weit. Die grundsätzliche Idee, die Korruption einzuschränken, ist begrüßenswert. Allerdings wurde übersehen, dass damit eine wirtschaftlich wichtige Plattform zum informellen Gedankenaustausch, etwa im Rahmen von Einladungen zum Essen, nur mehr eingeschränkt genutzt werden kann, weil große Unsicherheit und Ungewissheit über die konkrete Interpretation der neuen Regelung besteht.
Eine verbindliche Auslegungshilfe (im Idealfall mit konkreten Betragsgrenzen) durch den Gesetzgeber wäre daher zu begrüßen.
Der Autor ist Rechtsanwalt und Partner einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei in Wien sowie Universitätslektor für Gesellschaftsrecht an der Universität Wien. Ein ausführlicher Beitrag zu dem Thema erscheint auch in der Fachzeitschrift "Aufsichtsrat aktuell" des Linde Verlags.