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Fälle schlichten, ohne zu richten

Von Michael Czinglar

Wirtschaft
In Scheidungsverfahren wird die Stimme des Kindes oft nicht gehört. Foto: bilderbox

Erste europäische Konferenz in Wien. | Methode wenig bekannt. | Psychosoziale Betreuung während des Verfahrens. | Wien. Erst kürzlich fand in Wien die erste europäische Konferenz für Collaborative Law statt. Collaborative Law ist eine Methode der außergerichtlichen Streitbeilegung, die vor circa 15 Jahren ihren Anfang in den USA genommen hat und mittlerweile am nordamerikanischen Kontinent und auch in England und Irland bereits weite Verbreitung gefunden hat.


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#Ähnlichkeit mit

Mediation

Während der Konflikt ähnlich wie bei der Mediation, einer ebenfalls außergerichtlichen Streitbeilegungsform, mit der gleichen Blickrichtung angegangen wird, gibt es anders als bei der Mediation im Collaborative Law Verfahren keinen neutralen Mediator. Stattdessen begleiten besonders geschulte Anwälte die Parteien bei dem Prozess, eine Lösung zu erarbeiten.

Von Anfang an werden bei diesem Verfahren, das vor allem in familienrechtlichen Streitigkeiten sehr erfolgreich durchgeführt wird, Experten aus dem psychosozialen Bereich beigezogen. Sie sollen die Konfliktparteien während des Verfahrens betreuen, aber auch zum Beispiel den Kindern im Rahmen eines Scheidungsverfahrens eine Stimme geben. Dadurch wird für alle am Konflikt beteiligten Parteien eine Atmosphäre der Sicherheit geschaffen und gewährleistet, dass während des ganzen Verfahrens die Kommunikationsfähigkeit gegeben bleibt.

Am Ende steht eine Lösung, die die Parteien aktiv gestaltet und geformt haben, und bei der auch gerade in familienrechtlichen Streitigkeiten die Stimme der Kinder ausreichend Gehör gefunden hat. Es handelt sich daher um eine Lösung, die nicht von außen aufgezwungen, sondern von innen erarbeitet worden ist.

Sollte eine der im Collaborative Law Prozess beteiligten Streitparteien allerdings beschließen, das Verfahren zu beenden und die Sache vor Gericht zu ziehen, so dürfen die im Collaborative Law Prozess beteiligten Anwälte im gerichtlichen Verfahren nicht mehr vertreten.

Erfolgsquote mehr als 90 Prozent

Statistiken bestätigen, dass in allen Fällen, wo sich die Konfliktparteien auf ein Collaborative Law Verfahren eingelassen haben, die Erfolgsquote bei mehr als 90 Prozent gelegen ist.

Dadurch, dass von Anfang an gerade bei hochstrittigen Scheidungen psychosoziale Experten beigezogen werden und den Konfliktparteien zur Seite stehen, wird von Beginn an sichergestellt, dass die Kommunikationsfähigkeit gewahrt oder wieder hergestellt werden kann, ohne dass dadurch extreme Mehrkosten entstehen. Es wird nämlich immer gerade nur derjenige Experte beigezogen, der im Moment benötigt wird.

Für Kontinentaleuropäer ist Collaborative Law eine völlig neue Methode, die aber im 21. Jahrhundert ganz neue Perspektiven und mit Sicherheit viel bessere Ergebnisse erwarten lässt als das Verharren in alteingefahrenen prozessrechtlichen Bahnen. Bei den klassischen Gerichtsverfahren werden nämlich Entscheidungen getroffen, die von außen auferlegt werden und in der Regel Sieger und Besiegte überlassen.

Europäische Leitstelle zum Werbezweck

An der Konferenz waren aus europäischer Sicht Engländer, Irländer, Franzosen, Italiener, Schweizer, Deutsche und Österreicher vertreten. Die Teilnehmer dieser verschiedenen Länder haben beschlossen, eine europäische Collaborative Law Leitstelle ins Leben zu rufen, um eben von hier aus dieser Idee Anerkennung und Verbreitung zu verschaffen.

Der Autor ist Rechtsanwalt in Wien und Generalsekretär der

Anwaltlichen Vereinigung für

Mediation und kooperatives

Verhandeln.