SPÖ-Duo Gusenbauer-Faymann auf den Spuren von Figl und Raab. | Große Koalition in Krise, Partei unzufrieden. | Wien. Die große Koalition ist im Stimmungstief, dass der Kanzler den Konsens sucht, verärgert zunehmend dessen eigene Partei - Umfragen verheißen für die kommenden Nationalratswahlen nichts Gutes. Also tauscht die Kanzlerpartei ihren Parteichef aus. Wenig später übernimmt dieser auch das Kanzleramt.
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Dieses Szenario klingt verdächtig bekannt, oder? Immerhin schreiben die Zeitungen seit Tagen über nichts anderes auf ihren Innenpolitikseiten. Hauptdarsteller des oben beschriebenen Stücks sind allerdings nicht Alfred Gusenbauer und Werner Faymann, sondern Leopold Figl und Julius Raab.
Und tatsächlich: Wer wirklich nach Parallelen zur derzeitigen innenpolitischen Situation sucht, wird nicht bei den SPÖ-Führungstandems Alfred Sinowatz und Franz Vranitzky oder gar Helmut Zilk und Hans Mayr fündig. Die größten strukturellen Ähnlichkeiten zur derzeitigen SPÖ weist ausgerechnet die ÖVP zu Anfang der 50er Jahre auf.
Zu den Fakten: Anfang der 50er Jahre war die ärgste, existenzielle Not nach dem Ende des Weltkriegs bereits überwunden, die große Koalition von ÖVP und SPÖ mit dem niederösterreichischen Bauernbündler Leopold Figl (1902-1965) an der Spitze zeigte erste Verschließerscheinungen. "Beide Parteien waren mit den Lösungen der Koalition zunehmend unzufrieden, das ist ganz normal, sobald es nicht mehr um die Frage geht, woher ich am nächsten Tag das Brot zum Leben nehme", erzählt Zeitzeuge Ludwig Steiner. Der ehemalige Widerstandskämpfer und Staatssekretär im Außenministerium erlebte diese Zeit aus nächster Nähe mit.
Die Nervosität in der ÖVP stieg, schließlich standen 1953 Nationalratswahlen vor der Tür. Figl, der KZ-Häftling, Volkskanzler und Konsenspolitiker, war aus Sicht der eigenen Partei nicht mehr der richtige. Es bestand Handlungsbedarf, vor allem die Bundesländer, die Steirer und Salzburger, machten Druck auf einen Wechsel.
Dieser kam in Schritten: 1952 übernahm der Wirtschaftsbündler Julius Raab (1891-1964), damals Klubchef im Parlament, das Amt des ÖVP-Parteiobmanns von Figl. Die koalitionären Hardliner in der ÖVP hatten sich nur teilweise durchgesetzt, Figl blieb Kanzler.
Allerdings nur noch ein Jahr: Bei den Wahlen 1953 fiel die ÖVP erstmals mandatsmäßig hinter die SPÖ zurück (73:74), konnte jedoch den Kanzler retten. Für Figl war es jedoch vorbei, Raab übernahm auch diesen Job von seinem Freund.
"Raab hatte ein schlechtes Gewissen, seinen engen Freund verdrängt zu haben, auch Figl reagierte sehr enttäuscht und zog sich nach Niederösterreich als Landeshauptmann zurück", erzählt Steiner, damals Kabinettschef des neuen Kanzlers. Der persönliche Bruch zwischen den beiden konnte jedoch verhindert werden: Raab holte Figl bei erster Gelegenheit aus Niederösterreich zurück und betraute ihn mit dem Amt des Außenministers, "als Wiedergutmachung sozusagen", wie Steiner meint. Die Freundschaft der beiden hielt übrigens bis zum Schluss: Raabs letzter Wille war es, dass an seinem Grab einzig sein Freund Figl das Wort ergreifen dürfe.
Es wird interessant zu beobachten sein, wie die beiden Freunde Gusenbauer und Faymann diese schwierige Phase überstehen.