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Möllemann polarisierte sein Leben lang Partei und Öffentlichkeit. Sein Tod und die Gründe dafür sind so turbulent wie sein Werdegang.
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Der Fallschirm war sein Markenzeichen, bei einem Fallschirm-Sprung ist Jürgen Möllemann am Donnerstag ums Leben gekommen. Die unklaren Todesumstände sowie die politischen Turbulenzen, für die der frühere FDP-Spitzenpolitiker zuletzt gesorgt hatte, lösten sofort Spekulationen über einen möglichen Selbstmord aus.
Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen Möllemann wegen unklaren Spendeneingänge bei der FDP Nordrhein-Westfalen und die Finanzierung eines israel-kritischen Flugblatts im Bundestagswahlkampf 2002. Diese Affäre hatte den bekennenden Fan des Fußball-Bundesligisten Schalke 04 sein Amt als Landeschef der NRW-FDP gekostet und mit dem Austritt aus der Partei zu einem Tiefpunkt seiner von vielen Höhen und Tiefen geprägten Karriere geführt.
Möllemann galt einst als eines der vielversprechenden Talente der FDP, deren Mitglied er 33 Jahre lang war. Der studierte Lehrer kam 1972 für die Liberalen in den Bundestag, Er trat nach der Bonner Wende 1982 als Staatsminister im Auswärtigen Amt unter Hans-Dietrich Genscher sein erstes Regierungsamt an. 1987 wurde er Bildungsminister, 1991 Wirtschaftsminister. Nach dem Rücktritt seines politischen Ziehvaters Genschers übernahm Möllemann bis 1993 auch das Amt des Vizekanzlers und Stellvertreters von Helmut Kohl.
Während all der Jahre lag Möllemann wegen seines Ehrgeizes und seiner Selbstinszenierungen immer wieder im Streit mit anderen führenden Liberalen, die zugleich sein Talent als Wahlkämpfer anerkannten. Möllemann galt als Erfinder des "Projekts 18", mit dem die FDP bei der letzten Bundestagswahl über ihre traditionelle Klientel hinaus auf 18 Prozent der Stimmen kommen wollte.
Seine Aktivitäten im Wahlkampf 2002 mit dem israel-kritischen Flugblatt lösten zu einem heftigen Streit mit dem Zentralrat der Juden und Antisemitismus-Vorwürfen gegen Möllemann und die gesamte FDP aus, die bei der Wahl nur auf enttäuschende 7,4 Prozent gekommen war. Möllemanns Verhalten führte zu seinem letzten und heftigsten Konflikt mit der FDP, einem Machtkampf mit Parteichef Guido Westerwelle und der tiefsten Polarisierung der Öffentlichkeit über seine Person.
Mit dem Austritt aus der FDP kam Möllemann Mitte März einem Ausschlussverfahren zuvor. Zuletzt spielte er öffentlich mit dem Gedanken einer Partei-Neugründung. Der 57-jährige hatte seinen Wehrdienst als Fallschirmjäger absolviert und allein im Bundestagswahlkampf vorigen Jahres 75 publikumsträchtige Sprünge absolviert.