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Neue Finanzierungsmodelle bei Öko-Energieprojekten boomen.
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Wien. Bürgerbeteiligungen an Öko-Energieprojekten feiern in Österreich derzeit einen Hype. Kaum werden Beteiligungsscheine für Solarkraftwerke angeboten, sind sie, wie zuletzt in Zwentendorf und Wien, innerhalb weniger Tage ausverkauft. Tatsächlich scheint das Prinzip hinter den Bürgerbeteiligungen simpel: Die Einwohner einer Gemeinde stellen dieser Geld für den Bau eines Kraftwerks zur Verfügung. Im Gegenzug erhalten die Bürger Zinsen oder andere Vergütungen. Doch was so simpel anmutet, birgt auf rechtlicher Ebene jede Menge Fallstricke.
Schwierige Rechtsmaterie
"Es zeigt sich, dass die sogenannten Bürgerbeteiligungen eine Vielzahl von verschiedenen Rechtsgebieten streifen", warnt Roman Rericha, Rechtsanwalt in der Wiener Kanzlei Brandl & Talos. "Wobei zunächst zu beachten ist, dass Bürgerbeteiligung ein rechtlich undefinierter Überbegriff für jede Konstruktion ist, mit der sich eine Projektfinanzierung umsetzen lässt." Theoretisch kann eine Bürgerbeteiligung daher auch in Form einer Aktiengesellschaft aufgezogen werden. "Das ist aber in der Praxis - gerade bei kleinen Gemeinden - denkbar unpraktikabel", räumt Rericha ein. "Die Gemeinde muss prinzipiell darauf achten, dass sie ein Modell wählt, das sowohl der baulichen als auch der finanziellen Dimensionierung der geplanten Anlage gerecht wird."
Tatsächlich zeigt sich in der Praxis immer wieder, dass sich Gemeinden nicht ausreichend damit beschäftigen, wie die Bürgerbeteiligung rechtlich aufgezogen wird. Dabei sind mehrere Konstruktionen möglich, darunter eine Publikums-Kommanditgesellschaft, eine Sale-and-Lease-Back-Konstruktion, die Beteiligung einer Bank sowie eine Anleihen-Emission.
Die naheliegendste Vorgehensweise wäre wohl, interessierte Bürger einzuladen, auf das Gemeindekonto einzuzahlen. Aus Sicht der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) handelt es sich dabei allerdings um ein Bankgeschäft, zu dem Gemeinden nicht berechtigt sind. "Die FMA hat sich bis dato nur zur Darlehensfinanzierung geäußert", weiß Martin Knoll, Rechtsanwaltsanwärter bei Brandl & Talos. Anlassfall war ein Bürgerbeteiligungsmodell, bei dem Bürger einer Gemeinde ein Darlehen gewährten und das Geld auf das Gemeindekonto einzahlten. Im Gegenzug erhielten sie einen Anspruch auf Darlehenstilgung und Zinszahlung. "Da die Bürger nur einen Anspruch auf Rückzahlung und Verzinsung hatten, das heißt im Grunde so etwas wie ein Sparbuch vorlag, ist die FMA davon ausgegangen, dass die Gemeinde ein Einlagengeschäft im Sinne des Bankwesengesetzes betreibt", sagt Knoll. "Ausgehend von der strengen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zum Einlagengeschäft ist diese Rechtsansicht der FMA richtig." Übrigens: Seit 1. Mai 2012 droht dafür eine Verwaltungsstrafe bis zu 100.000 Euro.
Bewährt: Sale-and-lease-back
Um regulatorische Probleme zu vermeiden, haben sich in Österreich bisher vor allem verschiedene "Sale-and-lease-back-Konstruktionen" bewährt. Dabei erwerben Privatpersonen in der Regel einzelne Teile an der geplanten Anlage direkt vom Betreiber und vermieten diese an den Betreiber des "Bürgerkraftwerks" zurück. "Bei der Detailgestaltung ist jedoch besonderes Augenmerk auf den Schutzzweck der regulatorischen Vorschriften zu legen, welche das Publikum vor allem vor Verlusten ihrer investierten Gelder schützen", betont Knoll. Diesem Ziel könne in der Regel durch eine strenge projektbezogene Zweckwidmung der eingezahlten Gelder, sowie eine ausreichende Besicherung des Rückzahlungsanspruchs Genüge getan werden.
Doch Vorsicht: Nicht jedes Finanzierungsmodell ist für jede Art der Energiegewinnung geeignet. Beim Sale-and-Lease-Back-Modell benötigt man ein Kraftwerk, das aus mehreren selbständigen Teilen besteht, wie Photovoltaik-Paneele. Bei einem Windrad würde diese Bürgerbeteiligung daher nicht funktionieren.
Bei Finanzierungs-Modellen wie der Kommanditgesellschaft oder bei Anleihen ist nicht zuletzt die Prospektpflicht des Kapitalmarktgesetzes zu beachten, die unter anderem vom Finanzierungsvolumen abhängig ist.
"Solange man sich mit dem Bürgerbeteiligungsprojekt im rechtlichen Rahmen hält, besteht grundsätzlich kein Bedarf, die Gesetze zu ändern", so Rericha. "Im Hinblick auf die komplexen Rechtsmaterien und die Fülle an Regulierungen, die für Bürgerbeteiligungen gelten, wären vereinfachte Rahmenbedingungen für regionale Öko-Energie-Projekte jedoch durchaus begrüßenswert."