Technische Umsetzung der Impfpflicht ist laut Elga erst ab April möglich.
Omikron könnte das Vorhaben hinfällig machen. Hat es noch Zukunft?
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Der Plan ist klar. Anfang Februar soll die Impfpflicht in Kraft treten, ab 15. März gestraft werden. Doch der Plan wackelt. Die technische Umsetzung der Impfpflicht ist laut der Elga GmbH frühestens ab April möglich, wie sie in einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf anmerkt. Man sei bei der Erstellung des Begutachtungsentwurfes nicht konsultiert worden, heißt es in Richtung Regierung. Daher seien "hinsichtlich der technischen Umsetzung der Erfassung der Ausnahmen im nationalen Impfregister und der dafür notwendigen Umsetzungszeiten Änderungen geboten".
Im Gesundheitsministerium gab man sich unbeirrt. Ein erster Abgleich der Impfdaten mit dem Melderegister sei am 15. März vorgesehen. Sollte aus der Begutachtung hervorgehen, dass aus technischen Gründen eine Änderung im Fristenlauf benötigt werde, werde das "selbstverständlich berücksichtigt". Dies ändere aber nichts am Inkrafttreten der Impfpflicht mit Februar.
Aber nicht nur technische Probleme plagen das Vorhaben. Es mehren sich die Stimmen, welche die Impfpflicht durch die Omikron-Variante gefährdet sehen. Nach der Omikron-Welle werde es ein Ausmaß an Immunität in der Bevölkerung geben, "wie wir es noch nie hatten", so der Epidemiologe Gerald Gartlehner von der Donau-Uni Krems: "Daher muss man die Impfpflicht nach der Omikron-Welle wahrscheinlich neu bewerten." Die Sozialpartner forderten, dass die Bundesregierung beobachten müsse, ob der mit der Impfpflicht verbundene Eingriff in die Grundrechte noch verhältnismäßig sei.
"Für die Omikron-Variante kommt die Impfpflicht wohl zu spät", sagt der Verfassungsrechtler Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck zur "Wiener Zeitung". Denn erste Sanktionen könnten frühestens ab April verhängt werden. Das werde sich zeitlich nicht ausgehen - nach allem, was man bisher über Omikron und dessen Infektiosität wisse, so der Jurist.
Rechtlich müsse die Impfpflicht vor dem Hintergrund der neuen Variante neu bewertet werden, sagt der Medizin- und Verfassungsrechtler Karl Stöger von der Uni Wien: "Das heißt aber nicht, dass sie vom Tisch ist." Es wäre der falsche Weg, schon "im Vorhinein auf ein Impfpflichtgesetz zu verzichten", so Stöger, der Mitglied der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (Gecko) ist.
"Das Projekt muss noch nicht abgesagt werden"
Derzeit würden alle an Omikron denken, "aber es wird zu wenig über Omikron hinausgedacht", erklärt Stöger. Ziel der Impfpflicht sei die Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems. "Dieses Ziel gilt nicht nur jetzt, sondern auch für die kommenden Monate, besonders für den Herbst und Winter 2022/2023." Auch Bußjäger hält fest: "Der Staat kann Vorsorge für künftige Wellen treffen." Daher müsse "das Projekt noch nicht abgesagt werden."
Die beiden Verfassungsjuristen plädieren dafür, jedenfalls die gesetzlichen Grundlagen für die Impfpflicht zu schaffen. "Es macht Sinn, das Gesetzgebungsverfahren abzuschließen", sagt Stöger. Zugleich sollte man aber überlegen, in das Gesetz Möglichkeiten einzubauen, durch die der Beginn der Impfpflicht verzögert werden kann. So sei das Pockenimpfgesetz zunächst nur in seiner Anwendbarkeit durch Gesetzesbeschluss ausgesetzt worden, so der Medizinrechtler. "Als man sich dann sicher war, dass man es nicht mehr braucht, wurde es aufgehoben."
Angesichts der Tatsache, wie schwerwiegend die Pandemie sei, "ist eine Impfpflicht nach wie vor im öffentlichen Interesse", sagt Bußjäger. Der Gesetzgeber werde aber eine "gewisse Flexibilität" unter Beweis stellen müssen. Zu überlegen sei etwa die Schaffung der Möglichkeit, dass der Gesundheitsminister die Impfpflicht oder den Impfstichtag aussetzen kann - etwa dann, wenn eine Anpassung des Impfstoffes wegen neuer Varianten notwendig ist.
Sei die gesetzliche Grundlage geschaffen, kann dann laut Stöger überlegt werden: "Braucht man die Impfpflicht, braucht man sie später oder dann gar nicht mehr?" "Wenn man am Schluss ohne Impfpflicht auskommt - dann umso besser." Bei der Entscheidung werde vor allem zu beobachten sein, welche Auswirkungen die Omikron-Variante im weiteren Pandemieverlauf habe. Medizinisch seien hier noch einige Fragen offen, erklärt Stöger.
"Wir wissen nicht, wie sich das Virus entwickelt"
Judith Aberle, Virologin an der medizinischen Universität Wien, sieht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" für die Debatte um ein mögliches Abgehen von der Impfpflicht gleich mehrere große Unbekannte: Einerseits sei die Frage offen, wie viele Menschen sich tatsächlich in dieser Welle mit Omikron infizieren werden. "Ein beträchtlicher Anteil wird weiterhin keine spezifische Immunität gegen Omikron aufweisen", sagt die Medizinerin. Zweitens sei unklar, wie gut der Immunschutz nach einer Infektion mit Omikron sei - vor allem gegen mögliche neue Varianten, die noch aufkommen könnten. Und drittens sei ungewiss, wie lange ein aufgebauter Immunschutz gegen eine Erkrankung beziehungsweise schwere Verläufe schützen könnte. "Das Virus ist die Variable", sagt Aberle, "denn wir wissen nicht, wie es sich weiterentwickelt, ob es etwa den Immunschutz noch stärker umgeht".
Damit die Impfpflicht rechtlich nicht erforderlich sei, müssten mehrere Voraussetzungen erfüllt sein, sagt Stöger. Eine Infektion mit Omikron müsse eine Immunität schaffen, die der Immunität durch die Impfung entspreche und auch ähnlich lange wie diese anhalten. Weiters müsse sie auch gegen neue Varianten wirken. Letztlich müsse also davon ausgegangen werden können, dass eine Impfpflicht nicht notwendig ist, um eine große Welle im nächsten Winter zu verhindern, sagt Stöger.