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Falsche Freunde

Von Michael Schmölzer

Politik

Die Golfstaaten nähern sich auf Betreiben der USA schrittweise Israel an, die Palästinenser wittern Verrat. Einer Lösung des Nahost-Konflikts kommt man so nicht näher.


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Israel kämpft verbissen im eigenen Land gegen die explosionsartige Ausbreitung des Coronavirus, ab Montag gelten Ausgangssperren, die strikt überwacht werden. Damit sind die Israelis in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt - ein Zustand, den die palästinensische Bevölkerung im abgeriegelten Gazastreifen seit Jahrzehnten nur zu gut kennt.

Die Eindämmung der Pandemie dominiert das internationale Geschehen, die Lösung des weiter virulenten Nahost-Konflikts tritt in den Hintergrund. Und doch ereignet sich hier Unerwartetes: Die schwerreichen Golfstaaten, ausgewiesene Feinde Israels, streben eine schrittweise Entspannung an. Mitte August haben die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) die Normalisierung ihrer Beziehungen zu Israel angekündigt. Anfang dieser Woche kam es zum historischen Flug einer El-Al-Maschine von Tel Aviv nach Abu Dhabi. An Bord: Israelische, arabische und US-Offizielle, es wurde über eine Vertiefung der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Kontakte gesprochen. Ab jetzt soll es regelmäßig Flüge zwischen den VAE und Israel geben. Die Saudis und Bahrain geben ihren Sanctus und gestatten den Überflug über ihr Territorium.

Entsetzen und Euphorie

In der Reihen der Palästinenser herrscht Bestürzung über den "Verrat", in Israel und in den USA gibt man sich euphorisch. Premier Benjamin Netanjahu, innenpolitisch nicht nur wegen der Pandemie stark unter Druck, feiert die Entwicklungen als Beginn einer neuen Ära des Friedens und der Prosperität in der Region. In Washington kann man endlich einen herzeigbaren Erfolg erkennen, denn US-Präsident Donald Trump steht im November vor einer schwierigen Wahl und hat bis dato international kaum zu punkten vermocht.

Die neue Annäherung ist ein Werk Jared Kushners, Trumps Schwiegersohn, der von dem Tycoon kurzerhand mit der raschen Lösung des Nahost-Konflikts beauftragt worden war. Jetzt soll er für geeignete Fernsehbilder sorgen, die Trumps Wiederkandidatur den nötigen "Boost" verleihen. Angedacht ist deshalb eine große Zeremonie in Washington, in der Netanjahu und der Kronprinz aus Abu Dhabi, Scheich Mohammed bin Zayed al-Nahyan, die neue Partnerschaft feierlich besiegeln. Laut Plan soll ein derartiges Event noch im September über die Bühne gehen.

Aus Trumps Sicht ideal wäre, wenn auch Saudi-Arabien als wichtigster arabischer Player Israel die Hand reicht. Doch in Riad ist man dazu ganz offensichtlich noch nicht bereit.

Zuletzt war Kushner Gast in London, um jene europäische Großmacht, die der EU zuletzt den Rücken gekehrt hat, für die neuen Entwicklungen zu interessieren.

Ein Grund für die Annäherung ist die Angst vor dem Iran, die Israel, die Golfstaaten und die USA verbindet. Trump sieht in Teheran den weltweit gefährlichsten staatlichen Sponsor des Terrorismus, der an der Entwicklung einer Atombombe arbeitet. Teheran selbst hat in der Vergangenheit mehr als einmal betont, Israel von der Landkarte tilgen zu wollen. Saudi-Arabien kämpft mit dem Iran an verschiedenen Schauplätzen um die Vorherrschaft in der Region und muss dabei schmerzhafte Rückschläge, etwa im Jemen-Krieg, verkraften.

Die Frage ist trotzdem, wie ernst es den Ölstaaten mit der neuen Annäherung an Israel ist. Auch hier hat man einberechnet, dass die Tage Trumps gezählt sein könnten, und bereitet sich in einem "Plan B" auf einen neuen Präsidenten vor.

Keine Vermittler

Unterdessen lässt sich die Trump-Administration zu ihren diplomatischen Erfolgen gratulieren, die offenbar den Weg für eine Lösung des Nahost-Konflikts freimachen sollen. Trump ist überzeugt, dass er den Konflikt lösen kann - gerade weil alle seine Vorgänger im Amt an dieser Frage gescheitert sind.

Doch hier beginnen die Probleme. Denn die Vereinigten Staaten haben sich unter dem aktuellen Präsident nie darum bemüht, auch nur den Anschein zu erwecken, im Nahen Osten als neutrale Vermittler aufzutreten. Jared Kushner ist orthodoxer Jude und privat mit der Familie Netanjahu eng befreundet. Er hat die palästinensische Seite so gut wie nie in die Gespräche einbezogen, sie wurde von vorneherein nicht als gleichwertiger Partner am Verhandlungstisch gesehen, sondern als Unruhestifter.

Analog zu den Krawallen im eigenen Land will Trump auch in Nahost für Ruhe und Ordnung sorgen. Seiner Ansicht nach würden die Palästinenser irgendwann begreifen, dass ein besserer "Deal" als der gebotene nicht möglich sei, und einem Frieden mit Israel zustimmen. Das hat er immer wieder so formuliert.

Die Entwicklungen der letzten Jahre sind aus palästinensischer Sicht alles andere als ermutigend. Washington hat Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anerkannt, obwohl das völkerrechtlich nicht vorgesehen ist. Die Errichtung neuer jüdischer Siedlungen im Westjordanland wird von Washington klar toleriert, jetzt machen die USA den Palästinensern die arabischen Verbündeten abspenstig. Die von Israel angekündigte Annexion des Westjordanlandes wurde zwar wieder zurückgenommen. Allerdings nur vorläufig, wie Premierminister Netanjahu sagte und wie es auch in der englischsprachigen Version des Übereinkommens mit den VAE festgehalten ist. Nur der arabische Text spricht ausdrücklich von einem "Stop".

Friedensgespräche auf Eis

Die US-Nahostpolitik entspricht dem Weltbild Donald Trumps: Die Palästinenser sollen sich den Wünschen Israels weitgehend fügen, als Lohn dafür winken milliardenschwere Investments, Prosperität und Wohlstand im ausgebluteten Gazastreifen und Westjordanland.

Den Palästinensern bliebe dann statt eines Staatsgebiets ein mit jüdischen Siedlungen durchsetztes Territorium, sie müssten darüber hinaus auch noch auf das strategisch wichtige Jordantal verzichten. Insgesamt sollen rund 30 Prozent des Westjordanlands Teil des israelischen Staates werden.

Die Palästinenser haben die Verhandlungen mit Israel und den USA längst abgebrochen, die Aussicht auf "Big Business" hat hier wenig Zugkraft. Auch die Appelle Kushners, "nicht in der Vergangenheit steckenzubleiben", ändern daran nichts. Von einem Nahost-Friedensprozess kann nicht mehr die Rede sein.

Zuletzt machte Chefunterhändler Saeb Erekat die Position der Palästinenser klar: Israels Premier Benjamin Netanjahu gehe es darum, ein Apartheid-System zu schaffen, es gehe um die "Normalisierung von Verbrechen und Unterdrückung". Friede, so Erekat, sei aber das Resultat von Gerechtigkeit.