VCÖ: Politik ist vor allem an Großprojekten interessiert. | "Bahnreisende profitieren zu wenig". | Wien. "Weniger ist mehr" - dieser Spruch gilt wohl in besonderem Maß für die heimische Bahninfrastruktur. Denn laut Verkehrsexperten setzt die Politik viel zu stark auf neue Großprojekte und vernachlässigt das bestehende Schienennetz.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Man muss vor allem die Langsamfahrstellen möglichst rasch beseitigen", fordert Verkehrsfachmann Christian Gratzer vom VCÖ (Verkehrsclub Österreich) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Denn durch die Engpässe komme es zu vielen Verspätungen.
Zwar räumt die heimische Bahn ein, dass es in ganz Österreich 341 derartige Flaschenhälse gibt, allerdings betonen die ÖBB (Österreichische Bundesbahnen) auch das Positive: "Die vielen Bauvorhaben fordern ihren Tribut."
Die Verantwortung sieht der VCÖ freilich bei der Politik. Statt kleiner Sanierungen planten die Politiker lieber große Prestigeprojekte, um in die Geschichte einzugehen, sagt Gratzer. "Das Geld ist nicht doppelt vorhanden."
Oft fehlten dann anderswo Mittel, die dringend benötigt würden. Die Leidtragenden seien die Fahrgäste, für die sich unterm Strich kaum etwas verbessere. Anstatt bei der Infrastruktur zu planen zu beginnen, müsse man bei verbesserten Fahrplänen ansetzen.
Vorbild sei die Schweiz, hierzulande geschehe es allerdings genau umgekehrt. Man baue zuerst die Tunnel, Brücken und Gleisanlagen, dann erst überlege man, welche verkehrspolitischen Ziele man damit erreichen könne, poltert Gratzer.
Besonders auf der Westbahn zwischen Amstetten und Linz, aber auch zwischen Wien und Wiener Neustadt auf der Südbahn ortet der Verkehrsclub Versäumnisse der Politik bei der Verbesserung der bereits bestehenden Schienen-Infrastruktur.
Strecke Wien-Pressburg als Dauerbrenner
Verkehrsexperte Wolfgang Rehm von der Wiener Umweltinitiative Virus kritisiert, dass die Strecke Wien-Pressburg vernachlässigt worden sei. Beim sogenannten Marchegger Ast nördlich der Donau, dessen zweigleisiger Ausbau und Elektrifizierung die Fahrzeit zwischen den beiden Hauptstädten um 35 Minuten verkürzen würde, handle es sich um ein relativ günstiges Vorhaben. "Die Gesamtkosten dieses Projekts wurden bisher auf 100 Millionen Euro geschätzt, so viel liegt bei einem Kor-almtunnel in der Portokassa", betont Rehm.
Obwohl Fachleute bereits seit Anfang der 90er auf die Wichtigkeit der Verbindung Wien-Pressburg hinweisen, findet sich der Ausbau des Marchegger Astes erst seit diesem Jahr im knapp 11 Milliarden schweren Schienen-Ausbauprogramm des Verkehrsministeriums.