Zum Hauptinhalt springen

Familie ja, aber in welcher Form?

Von Brigitte Suchan

Wissen

Die junge Generation ist ins Visier der Gesellschaftspolitik geraten. Plötzlich gibt es eine ganze Reihe von Studien, die untersucht haben, was junge Menschen vom Leben erwarten und warum sie ihr Leben so einrichten wie sie es eben tun und nicht anders. Will man dem Tenor dieser Expertisen Glauben schenken, so geht der Trend von der vielzitierten Spaßgesellschaft eindeutig in Richtung Wertegesellschaft.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Laut einer aktuellen Studie des Ludwig Boltzmann Instituts für Freizeit und Tourismusforschung entdeckt die Mehrheit der jungen Leute den Wert von Beständigkeit und Verlässlichkeit wieder. Die jungen Leute - die Rede ist hier von bis zu 34-Jährigen - würden erkennen, dass die Sorge um die Familie und die eigenen Kinder auf Dauer mehr persönliche Lebenserfüllung gewährt, als das "immer-nur-an-sich-selbst-Denken", heißt es da zum Beispiel.

Die Unsicherheiten auf dem Arbeitsmarkt und sinkende Realeinkommen würden zudem dafür sorgen, dass die Gewöhnung an das unbeschwerte Leben zwischen Konsum-Genuss und Ego-Trip an finanzielle Grenzen stößt. Sport, Hobby und Urlaubsreisen müsse man sich schließlich auch leisten können. Die Familie als soziales und damit vor allem als emotionales Netz wird immer wichtiger. Die Meinung "man kann auch ohne Ehe, Kinder und Familie glücklich sein" findet bei der jungen Generation immer weniger Anhänger (1994: 46%, 2003: 37%).

Statt sich endgültig von der Familie zu verabschieden, arrangieren sich viele: Lebensgenuss und Lebenserfüllung schließen sich nicht zwangsläufig gegenseitig aus. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die junge Generation beides will, weil sie der Meinung ist, dass auch im Familienleben genügend Zeit für eigene Interessen bleibt.

Familie ist ein zentraler Wert

Christiane Pfeiffer, Leiterin der psychosozialen Forschungsabteilung am Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF), kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: "Für den Großteil der jungen Menschen ist Familie der zentrale Wert im Leben", stellt sie fest. Das bestätigen auch zahlreiche Wertestudien: Für zwei Drittel der Jugendlichen ist Familie einer der wichtigsten Bereiche ihres Lebens. Dem großen Wunsch nach Selbstverwirklichung steht das Bedürfnis nach schützenden Beziehungen, z.B. durch die Familie, gegenüber.

Pfeiffer stellt jedoch die Frage, warum die Zahl derer sinkt, die diesen Wunsch verwirklichen und warum die gewünschte und die tatsächlich realisierte Kinderzahl so weit auseinander liegen. "Die Rahmenbedingungen ermutigen junge Menschen nicht gerade, eine Familie zu gründen", so die Soziologin, denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nach wie vor - speziell für die Mütter - ein nahezu unlösbares Problem." Die Kinderbetreuung selbst zu übernehmen hieße aber, auf eigenes Einkommen und damit auf sozialrechtliche Absicherung weitgehend zu verzichten.

In der Boltzmann-Studie meint interessanterweise die überwiegende Mehrheit der befragten Frauen und Männer - auch jene der jüngeren Generation -, dass Kindererziehung in die Hände der Eltern gehört. "Es wäre ideal wenn ein Elternteil arbeitet und der andere die Erziehung der Kinder übernimmt" meinen mehr als zwei Drittel (69%) der Bevölkerung.

Ein eher pessimistisches Bild zeichnet eine aktuelle Sonderauswertung des Österreichischen Arbeitsklima-Index der oberösterreichischen Arbeiterkammer(AK). "Entscheiden sich Frauen in Österreich für Kinder, entscheiden sie sich gegen eine berufliche Karriere, für eine schlechtere Altersversorgung und für ein dramatisch geringeres Lebenseinkommen", stellte Georg Michenthaler (IFES), ein Verfasser der Studie, fest. Während Kinder für Frauen eine deutliche Reduzierung ihres Berufslebens bedeuten - bei den Frauen ab Maturaniveau sinkt die wöchentliche Arbeitszeit durchschnittlich von 37 auf 32 Stunden - so steigt sie bei Vätern in derselben Bildungskategorie von 43 auf 44 Wochenstunden an. "Bildung schützt Frauen vor Familienarbeit nicht", resümiert Edith Enzenhofer vom Sozialforschungsinstitut SORA. Nötig wären u.a. mehr Teilzeitarbeitsplätze und variable Arbeitsmöglichkeiten, sowie mehr Kinderbetreuungseinrichtungen. "Solange man nicht ändert, dass Kinder nur Frauensache sind, wird man aber auf diesem Gebiet nur wenig erreichen", meint der Vizepräsident der AK Oberösterreich, Johann Kalliauer.