Österreich soll laut Ministerin Sophie Karmasin das familienfreundlichste Land Europas werden.
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Wien. Vater, Mutter, Kind. Es ist lange her, dass man darin das einzig denkbare Familienmodell gesehen hat. Obwohl die derzeit 625.000 Ehepaare noch immer die größte Gruppe der insgesamt 1,4 Millionen Familien mit Kindern in Österreich stellen, steigt die Zahl der Lebensgemeinschaften (139.000) und Alleinerziehenden (142.000) stetig an. Auch homosexuelle Paare sowie homosexuelle Alleinerziehende nehmen einen wachsenden Platz in der Gesellschaft ein. Gleichzeitig geht die Kinderzahl zurück. "Fazit ist: Es gibt nicht mehr nur ein Familienmodell", sagte Familien- und Jugendministerin Sophie Karmasin am Donnerstag anlässlich der 30-Jahr-Feier ihres Ressorts. Karmasin definiert Familie neu. Sie sei "dort, wo sich Menschen zuhause fühlen. In welcher Konstellation auch immer."
Grundsätzlich soll Österreich 2025 das familienfreundlichste Land Europas sein, so die Ministerin. Davon ist man allerdings weit entfernt. In der Wahrnehmung der Familienfreundlichkeit rangiert Österreich mit 31 Prozent weit hinter Ländern wie Dänemark mit 90 Prozent.
Familienforscher ortet rechtliche Hürden
"Wenn wir die Kinderzahl nicht fördern, kommt uns die Zukunft abhanden", sagte Karmasin. Um dem entgegenzuwirken und das 2025-Ziel zu erreichen, müsse die Gesellschaft mehrere Prinzipien verinnerlichen. So sollen sämtliche Familiengefüge akzeptiert werden und beide Partner den Beitrag leisten, den sie können und wollen. Als eine der konkreten Maßnahmen führte Karmasin die Erhöhung der Familienbeihilfe in drei Schritten und deren monatliche Auszahlung an.
Dass nun für Ganztagsschulen weniger Geld zur Verfügung stehen soll, habe mit ihrem Ressort nichts zu tun, sagte Karmasin. Jedes Ministerium müsse seine Sparziele entwickeln. Das Familienministerium habe "einiges" in der Verwaltung eingespart.
Wie auch immer, Karmasins Botschaft ist zumindest klar: Familie soll neu gedacht werden. Stereotypen haben ausgedient. Allein - was schnell dahingesagt ist, hapert noch an zahlreichen gesetzlichen Hürden. Denn auch rechtlich gesehen sind die unterschiedlichen Familienmodelle noch lange nicht gleichberechtigt.
Witwenpensionen, Unterhaltsansprüche und die Aufteilung von Vermögen nach einer Trennung etwa können nur dann geltend gemacht werden, wenn die Betroffenen vorher verheiratet oder verpartnert waren. "Dafür braucht man den Rechtsakt der Ehe oder die Eintragung der Partnerschaft", sagt Martin Risak vom Institut für Arbeits- und Sozialrecht. Auch den Pflichtteil für Lebensgefährten gibt es im Erbrecht noch nicht. Justizminister Wolfgang Brandstetter hat allerdings angekündigt, diesen in dem Begutachtungsentwurf für ein modernisiertes Erbrecht, der bis Herbst vorliegen soll, zu berücksichtigen.
Suche nach Sicherheitund Stabilität
Ein weiterer Problempunkt ist die kostenfreie Mitversicherung von Lebensgefährten. Diese ist derzeit nur dann möglich, wenn es gemeinsame Kinder gibt. Dass sich hier bald etwas ändert, ist laut Risak eher unwahrscheinlich: Karmasins Familienpolitik zielt seiner Ansicht nach stark auf Eltern und Kinder ab. Aber auch Paare ohne Kinder seien eine Familie.
Eine positive Entwicklung sei zwar, dass die Stiefkindadoption und die Pflegefreistellung bereits für gleichgeschlechtliche Partner möglich ist. Die Adoption für Homosexuelle und die Leihmutterschaft für männliche gleichgeschlechtliche Paare ist aber nach wie vor verboten. "Hier prallen Ideologien aufeinander", so Risak.
Der Prozess, die Idealvorstellung von Familie - der Mann verdient, die Frau widmet sich dem Nachwuchs - aufzubrechen, ist laut Risak ein langwieriger. Der Wunsch, der sich hinter dem Wort Familie verbirgt, ist heute wie früher der gleiche: Es ist die Suche nach Sicherheit und Stabilität.