Wer Kinder aufzieht, wird steuerlich benachteiligt. Eine Möglichkeit, diese Benachteiligung zu überwinden, ist das Familiensplitting - sofern es nicht exzessiv ausgelegt wird.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Diskriminierend handelt, wer Gleiches ungleich oder Ungleiches gleich behandelt. Diese Spruchformel des Verfassungsgerichtshofs fordert vom Gesetzgeber das Erkennen der richtigen Vergleichspaare. Eine Regelung ist dann sachlich und gleichheitskonform, wenn sie zielorientiert und fair gleich behandelt.
In der Familienpolitik sind Kinderlose und Personen mit unterhaltsberechtigten Kindern bei gleichem Einkommen miteinander zu vergleichen und dementsprechend differenziert zu behandeln. Wer den Generaldirektor mit dem Arbeiter vergleicht und meint, die Familie des Generaldirektors mit drei Kindern verfüge pro Kopf immer noch über mehr Geld als der Arbeiter ohne Kinder, verfehlt das Thema Familienpolitik und redet über Steuergerechtigkeit.
Der Vorschlag des Finanzministers zur Einführung eines Familiensplittings ist umstritten, weil Familiensplitting ein Sammelbegriff ist, der eher durch seine Exzesse als durch seinen Grundgedanken in Verruf geraten ist.
Ein Elternteil, der für ein Kind unterhaltspflichtig ist, kann nicht über sein volles Einkommen verfügen. Der auf das Kind entfallende Unterhaltsanteil steht ihm nicht zur Verfügung und kann bei Widerspenstigkeit auch weggepfändet werden.
Der Unterhalt wird in einem Prozentsatz von Einkommen bemessen und dem Regelbedarf eines Kindes bestimmten Alters gegenüber gestellt. Beim Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs eines Kindes wird der Prozentunterhalt gedeckelt.
Die radikalste Methode des Familiensplittings besteht darin, das gesamte Vermögen auf die gesamte Familie gleichmäßig zu verteilen. Je nach Gestaltung der Steuersätze und der Freibeträge kann dies zu erheblichen Steuerersparnissen führen. In einzelnen Ländern besteht gar noch die Möglichkeit, dass die Ehegatten die Steuersätze tauschen können. Derartige Übertreibungen haben das Familiensplitting in Verruf gebracht.
Andererseits ist es gleichheitswidrig, dass ein Elternteil einen Einkommensteil versteuern muss, der ihm gar nicht zum Ausgeben zur Verfügung steht, eben weil er als gesetzlicher Unterhalt für ein Kind abzuziehen ist. Dieser Unterhalt müsste bei einem steuergerechten System steuerbefreit sein.
In Österreich besteht diese Steuerbefreiung nicht, andererseits erbringt der Familienlastenausgleichsfonds beträchtliche Zahlungen. Dadurch wird die Steuerungerechtigkeit entweder teilweise gemildert oder - je nach Progression - ganz abgegolten.
All dies ist aber noch keine Familienförderung, sondern nur Steuergerechtigkeit. Förderung würde erst dort beginnen, wo mehr als die konkreten Nachteile ausgeglichen werden. Abgesehen davon, dass Unterhaltspflichten steuerlich zu berücksichtigen sein müssten, dürfen Kinder aus verfassungsrechtlicher Sicht steuerneutral behandelt werden.
Unerfindlich ist allerdings, warum die Diskussion über die Sozialversicherungsbeiträge noch nie geführt wurde. Wer beschäftigt ist und Kinder aufzieht, trägt doppelt zum Sozialversicherungssystem und zum Generationenausgleich bei. Daher sollten Personen ohne Sorgepflichten höhere Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen als Personen, die Kinder aufziehen und damit das Sozialversicherungssystem in der nächsten Generation tragen helfen.
Einem Bereich legitimer Auffassungsunterschiede der Politik stünden also verfassungsrechtliche Vorgaben gegenüber, die respektiert werden müssten. Es wäre wünschenswert, dass der Gesetzgeber den einen Bereich vom anderen zu unterscheiden wüsste.
Alle Beiträge dieser Rubrik unter:
www.wienerzeitung.at/
tribuene
tribuene@wienerzeitung.at