Der wirtschaftliche Druck ist groß und Arbeitskräfte kosten eine Menge Geld - welcher Manager (oder in seltenen Fällen: Managerin) hat da noch die Nerven, sich mit der privaten Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu befassen? Nicht viele - aber doch ein paar Unternehmen in Österreich bemühen sich bewusst darum, ihren Betrieb familienfreundlich zu gestalten und lassen sich dafür auch auszeichnen.
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"Bei uns war es schon bisher üblich, dass die Dienstzeit so gut wie möglich an die Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst wurde. Eines der Dienstmädchen etwa beginnt erst 1,5 Stunden später als die anderen, weil es das Kind vorher zum Kindergarten bringt. Dienste können untereinander flexibel getauscht werden und auch die vom Auditor angeregte Altersteilzeit gibt es inzwischen", erklärt Murat Özen, geschäftsführender Gesellschafter des Hotels Kolbeck in Wien, gegenüber der "Wiener Zeitung".
Dem Hotel Kolbeck wurde im Juni dieses Jahres vom Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (BMSG) das Grundzertifikat "Familie & Beruf" verliehen. "Es geht um die Zukunft, weil das Personal eines Betriebes auch das Kapital eines Betriebes ist", beschreibt Özen die Motivation, warum er seinen Betrieb dem Audit unterzogen hat. "Und es wird gut gefördert", fügt der Geschäftsmann hinzu. Die Kosten für das Audit haben sich insgesamt auf rund 8.000 Euro belaufen, etwa 90% davon werde er aber durch die Förderung zurückerhalten - ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt für den kleinen Betrieb, wie Özen betont. Seine sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben acht Kinder - vom Säugling bis zum Volljährigen. Im Rahmen des Audits, das von einem speziell ausgebildeten Berater (Auditor) durchgeführt wird, wurde nicht nur der Ist-Zustand des Betriebes in Sachen Familienfreundlichkeit erfasst, sondern auch weitere Maßnahmen zur Verwirklichung bis zum Re-Audit in drei Jahren vereinbart. Dann wird bei positiver Beurteilung das Gütesiegel-Zeichen "Familie & Beruf" vergeben.
Zu den ersten Unternehmen die sich dem Audit, das 1998 eingeführt wurde, unterzogen haben, zählt die Erste Bank, die seit dem Jahr 2002 zertifiziert ist. "Wir wollen den Mitarbeitern bei der Vereinbarkeit von Leben und Beruf helfen", erklärt PR-Expertin Nicola Frimmel von der Erste Bank. So wurde etwa ein spezieller Kurs für Wiedereinsteigerinnen ins Leben gerufen. Betriebswirtschaftliche Vorteile der Familienfreundlichkeit ließen sich zwar nicht in Zahlen fassen, aber "schließlich haben wir als Unternehmen ja auch eine soziale Verantwortung".