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Wie sich Sportveranstaltungen künftig positionieren sollen, ist und bleibt eine Gratwanderung.
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Die großen Sportorganisationen haben ja eins gemein: Sie machen sich ihre Probleme gern selbst - für die sie dann Lösungen anbieten, die ihnen quasi durch glückliche Fügungen in die Hände fallen. So zumindest hat es im aktuellen Fall den Anschein: Da hat der Fußball-Europaverband Uefa tage-, nein, wochen- und monatelang Augen und Ohren vor den Problemen verschlossen, die angesichts der noch immer grassierenden Coronavirus-Pandemie auf ihn beziehungsweise die EM zukommen könnten, hat sämtliche Warnungen von Experten geflissentlich ignoriert und noch in selbstherrlicher Art und Weise argumentiert, natürlich könne es sein, dass die EM die Infektionszahlen in die Höhe schnellen lasse, dass dies aber nunmal nicht zu ändern sei.
Und nun hat sie exakt 48 Stunden vor dem Viertelfinale England gegen die Ukraine in Rom am Samstag (21 Uhr) die Reißleine gezogen und den Kartenverkauf für britische Fans für dieses Spiel gestoppt. Oder besser: Sie musste ihn stoppen, weil die italienischen Behörden Druck ausgeübt hatten. Glaubwürdig, tatsächlich im Vorfeld alle Maßnahmen ergriffen und alle Möglichkeiten durchgespielt zu haben, ist das nicht.
Man muss der Uefa freilich zugutehalten, dass sie für die Pandemie, die eine überforderte Welt seit eineinhalb Jahren in ihren Klauen und jeden Tag neue Überraschungen bereit hält, nun echt nix kann. Trotzdem war der Plan, die EM auf mehrere Länder und Städte aufzusplitten, von Haus aus eine Schnapsidee (von Michel Platini), die sich nun eben mit einem bitteren Kater rächt. (Von früheren Hirngespinsten des ehemaligen Fifa-Chefs Sepp Blatter, die WM sogar über das ganze Universum hinweg auszutragen, soll hier gar nicht die Rede sein.) Künstlich ein europaweites Fest zu kreieren, geht halt auch ohne Coronavirus nicht, ohne dass nicht damit unmittelbar der Verlust des einzigartigen Charakters eines solchen Turniers einhergehen würde.
Doch wie sich Sportgroßveranstaltungen künftig positionieren wollen und sollen, ist und bleibt eine spannende Gratwanderung. Die Olympischen Spiele wollten - zumindest offiziell - einen anderen Weg gehen. Weniger ist mehr, hieß es da oft plakativ. Möglichst kurze Wege, dafür viele Fans aus vielen Ländern an einem Ort. Doch im Falle Tokios ist auch das nicht gelungen. Angesichts wieder stark steigender Zahlen (und wohl auch unter dem Eindruck der EM, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO als Treiber der Pandemie angesehen wird), wird nun neuerlich überlegt, ob nicht nur ausländische, sondern auch inländische Fans aus den Stadien draußen bleiben sollen - genau drei Wochen vor der Eröffnung weiß noch niemand so genau, wie das in Tokio ablaufen wird.
Wenngleich Olympia in vielen Belangen nicht mit einer Fußball-EM zu vergleichen ist, täten die japanischen Macher gut daran, schnell eine Entscheidung zu fällen. Denn der Zickzackkurs, den die Uefa derzeit fährt, schadet allen - und führt (wiewohl die Quarantänebestimmungen nicht neu sind, wie man ehrenhalber sagen muss) schlimmstenfalls zu einer Frustentladung unter den Fans. Das zumindest wäre nichts gänzlich Neues bei einer EM - wenn auch wohl nicht ganz im Sinne des Erfinders eines friedlichen Sportfestes.