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Spieler der Mannschaft von Al-Ahli wollen nie wieder auf den Fußballplatz.
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Port Said. Die Nervosität war schon vor dem Match greifbar. Nachdem regionale Medien in Port Said von einem "Treffen der Vergeltung" gesprochen hatten, wurden die Spieler des Al-Ahli-Teams aus Kairo in einem Polizeikonvoi ins Stadion gebracht.
Dort soll es, abseits der Fernsehkameras, in der zweiten Halbzeit auf Tribünen und Gängen zu gegenseitigen Provokationen der Fangruppen gekommen sein, das Spiel wurde sogar kurz unterbrochen. Einer der "Ultras", wie die Gruppe der Al-Ahli-Anhänger heißt, beleidigte laut Augenzeugen die Fans der Heimmannschaft mit einem Transparent, diese reagierten mit dem Werfen von Flaschen und Steinen.
Nach dem Schlusspfiff stürmten die Al-Masri-Anhänger das Spielfeld. Auf den Fernsehbildern sieht das zunächst nach Jubelszenen über das überraschende 3:1 gegen die Topmannschaft der ägyptischen Liga aus, aber wenig später erkennt man, dass die Al-Ahli-Mannschaft in Panik in ihre Kabinen flieht, verfolgt von Al-Masri-Fans, die sich Rangeleien mit Ordnern liefern.
Die Bilanz wird erst später klar: Mindestens 71 Tote sind laut offiziellen Zahlen zu beklagen und laut dem US-Nachrichtensender CNN sind es sogar 79. Hunderte Menschen wurden verletzt. Die meisten seien erdrückt worden oder hätten Kopfverletzungen erlitten, hieß es aus den Krankenhäusern. Einige stürzten von den Rängen in den Tod. Viele Augenzeugen sprachen von Verletzungen durch Messer, die aufgrund laxer Sicherheitskontrollen in das Stadion geschmuggelt worden seien. "Polizisten weigerten sich, die Stadiontore zu öffnen, sodass wir tausenden Al-Masri-Hooligans ausgeliefert waren, die uns mit Messern, Steinen, Schlagstöcken und allem Möglichen attackierten", schilderte ein Fan der Gastmannschaft.
Auch der portugiesische Al-Ahly-Trainer Manuel José und seine Spieler gaben der Polizei die Schuld, weil sie nicht eingegriffen habe. Viele Verletzte seien in die Spielerkabinen gebracht worden, wo sie vor den Augen der Fußballer starben. Einige aus dem Team waren so geschockt, dass sie ankündigten, nie mehr Fußball spielen zu wollen. Ein Militärsprecher betonte hingegen, es habe einen guten Sicherheitsplan gegeben. Doch der Gewaltausbruch nach Abpfiff sei nicht mehr einzudämmen gewesen, so wie bei den Massenprotesten gegen Hosni Mubarak vor einem Jahr. Und Tränengas werde seit den blutigen Zusammenstößen auf dem Tahrir-Platz im Herbst nicht mehr eingesetzt.
In einem Stadion in Kairo brach unterdessen ein Feuer aus, nachdem das Spiel wegen der Ereignisse in Port Said abgebrochen worden war. Offenbar hatten die Fans des Klubs Zamalek aus Solidarität mit Al-Ahli zur Halbzeit ihre Transparente verbrannt, was sie sonst erst nach Spielende tun. Das ist außergewöhnlich: Die Anhänger der beiden Kairoer Vereine Zamalek und Al-Ahli sind einander so spinnefeind, dass ihre Aufeinandertreffen wegen der immer wiederkehrenden Ausschreitungen auf neutralem Boden ausgetragen werden müssen.