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Fantastilliarden-Manipulation

Von Thomas Seifert

Analysen

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Die 290 Millionen britische Pfund Strafe, die der britischen Bank Barclays von den britischen und US-Bankenaufsichtsbehörden auferlegt wurden, sind ein Klacks angesichts der Marktmanipulation, die Barclays zur Last gelegt werden: Über Jahre haben demnach Trader der Bank den sogenannten Libor-Kurs manipuliert.

Das Akronym Libor steht für London Interbank Offered Rate und bezeichnet jenen Zinssatz, zu dem Banken untereinander Geld borgen. Dieser Zins-Kurs ist deshalb so wichtig, weil er die Basis für Verträge in Höhe von 350 Billionen - 350.000.000.000.000! - Dollar darstellt.

Diese Zahl ist so unvorstellbar riesig, dass sie am treffendsten mit dem Dagobert Duck’schen Zahlwort "Fantastilliarde" beschrieben ist. Dazu kommt, dass der Libor-Referenzkurs nicht nur die Trader des Finanzplatzes der Londoner City betrifft, sondern auch den einfachen Bankkunden, der einen variabel verzinsten Kredit oder auch Kreditkartenschulden hat.

Worum geht es bei den Kursmanipulationen? Nach der Lehman-Pleite vom 15. September 2008 und der darauf folgenden Panik an den Märkten manipulierten einige Barclays-Trader den Libor-Zinssatz, und zwar nach unten. Damit sollten die Marktteilnehmer beruhigt werden, nach dem Motto: "Seht her, wir können es uns leisten, Geld zu niedrigen Zinsen zu verleihen, denn wir haben schließlich genug davon".

Dass ein zentraler Referenzpunkt von Tradern mindestens einer Bank so einfach manipuliert werden kann, wirft freilich eine Reihe sehr ernster Fragen auf:

Wie viel Vertrauen verdienen Banken nach den von ihnen zu einem hohen Teil mitverantworteten Turbulenzen im Weltfinanzsystem und nach den jüngsten Manipulations-Enthüllungen überhaupt noch? Kann man Institutionen, die offenbar nur mehr den Profit für ihre Shareholder und Mitarbeiter im Blick haben, überhaupt zutrauen, dass sie in der Lage und willens sind, jene für das Funktionieren des Kapitalismus essenzielle Rolle zu spielen, die Finanzinstitute in der Marktwirtschaft zu spielen haben? Warum werden derart wichtige Referenz-Kurse wie der Libor auf derart intransparente Weise abseits der Märkte fixiert? Und wenn es beim Libor Manipulationen gegeben hat, warum dann nicht auch etwa beim Fixing des Goldpreises, das mindestens ebenso intransparent verläuft?

Offenbar mangelt es an strenger und konsequenter Regulierung und Kontrolle der Banken, der Märkte und vor allem des außerbörslichen Handels. Konsequenz aus dem Libor-Skandal: Banking muss wieder öde und bescheiden werden, ein simples Geschäft, das der Realwirtschaft dient.