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Farbloser Statistiker muss EU-Vorsitz zu einem glimpflichem Ende bringen

Von Michael Schmölzer

Analysen

Die Befürchtung, dass der tschechische Präsident Vaclav Klaus einen ausgewiesenen Euroskeptiker mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragen könnte, hat sich nicht bewahrheitet. Knapp zwei Wochen nach dem spektakulären Sturz des Kabinetts unter dem Konservativen Mirek Topolanek wird wohl Jan Fischer Kurzzeit-Premier, bis Wahlen im Oktober für neue Kräfteverhältnisse sorgen. | Fischer, derzeit noch Chef des staatlichen Statistikamtes, wird es obliegen, die tschechische EU-Ratspräsidentschaft, die bis zum 30. Juni läuft, zu einem glimpflichen Ende zu bringen. Dass der 58-jährige Wirtschaftsingenieur in Brüssel für Eklats sorgen wird, ist eher auszuschließen. Fischer gilt als parteilos, Allüren sind nicht bekannt, er entstammt einer Familie von Mathematik-Experten und spricht sogar Englisch und Deutsch.


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Damit ist er für die heillos zerstrittenen tschechischen Politiker genau der richtige Mann zur richtigen Zeit. Er wird von Präsident Vaclav Klaus prinzipiell akzeptiert und vom Chef der Sozialdemokraten, Jiri Paroubek, genauso unterstützt wie von Topolanek. Wobei die Sozialdemokraten ihre Interessen besser durchgesetzt haben als die Konservativen. Denn letztere waren ursprünglich gegen eine Experten-Regierung und für möglichst frühe Neuwahlen. Erstens wollte Topolanek als Chef der stärksten Parlamentspartei wieder mit der Regierungsbildung beauftragt werden; zweitens ist er derzeit im Umfrage-Hoch.

Denn die Tschechen nehmen es den Sozialdemokraten übel, dass sie die Regierung zur Unzeit, nämlich während des EU-Vorsitzes, zu Fall gebracht haben. Den meisten Tschechen ist es peinlich, dass gerade jetzt, da alle Augen auf ihr Land gerichtet sind, die Regierung weithin sichtbar in die Krise stürzt. Die Medienpräsenz, die Topolanek als EU-Ratspräsident genoss, hat überdies zu seiner Popularität beigetragen. Dass davon im Oktober nicht mehr viel übrig sein wird, damit rechnen die Sozialdemokraten, die unbedingt wieder an die Macht wollen.

Das Bild, das die Tschechen nun innerhalb der EU abgeben, ist in der Tat ein ungünstiges. Die Staats- und Regierungschefs sind aller Voraussicht nach ab Mai mit einem Ratspräsidenten konfrontiert, den sie vermutlich noch nie gesehen haben. Außerdem sind Fischer und seine künftigen Minister - alles Beamte - nicht in der Lage, entscheidende politische Initiativen zu setzen. Politiker in Prag argumentieren, dass die Sacharbeit so effizient wie in den vergangenen Monaten weitergeführt werde. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft ist aber mit Sicherheit beschädigt.

Am wenigsten dürfte das Präsident Vaclav Klaus stören. Seiner Ansicht nach haben in der EU ohnehin nur die großen Nationen etwas zu sagen.